: Super-Gau im Hamburger Ratsweinkeller
■ Der bayrische Umweltminister Peter Gauweiler referiert über "Aktuelle Fragen der deutschen Politik"
referiert über »Aktuelle Fragen der deutschen Politik«
Die Deutschen hat er einmal als „Mischung aus Weltschmerz und Völlerei“ bezeichnet. Und auch vor dem Hamburger Wirtschaftsrat der CDU findet der bayrische Staatsminister für Landesentwicklung und Umweltfragen, Peter Gauweiler, kernige Worte. „Wir leben heute in der Freiheit einer Autoscooter- Mentalität: Die Gemeinsten setzen sich durch.“
Nach dem Essen im Ratsweinkeller sichtbar gut gelaunt, schießt er gleich nach. „Jeder engagiert sich für den Umweltschutz“, referiert er als Umweltminister. „Aber wir vergessen die geistigen Umweltschäden, das Ökosystem von Geist und Seele“, spricht der Vorsitzende der Münchner CSU. Seine Gastgeber vom Wirtschaftsrat, auf deren Einladung hin er sich gestern für einen Tag in der Hansestadt aufhielt, waren zufrieden. Deutliche Aussagen hatten sie vom 44jährigen Rechtsanwalt Gauweiler erwartet, unterstützten ihn mit beifälligem Applaus.
Gauweiler gefällt sich in der „Stadt der Schwiegermutter von Franz-Josef Strauß“ in angedeuteten Posen seines alten Mentors. Wie einst Strauß zieht auch er den Kopf zwischen die Schultern, und über den Hemdkragen schwappt der Nacken. Die gelbgepunktete Krawatte wölbt sich unter dem gespannten blauen Jackett. Doch aller Anstrengungen zum Trotz bleibt er blaß und die Rhetorik wirkt angelernt. Nur seine vollen Bäckchen färben sich mit der Zeit rot.
Keine Schamesröte, sondern Erregung. Denn in seinem Referat über „Aktuelle Fragen der deutschen Politik“ kommt er schnell auf das „linksalternative Schmaddertum“ zu sprechen. „Mit der Erziehung in Westdeutschland ist etwas schiefgelaufen“, ruft er und faßt sich dabei bedächtig an den eigenen Kopf. Es sei noch nicht untersucht wie die „linke Infiltrierung“ hier 40 Jahre lang funktioniert hat. Seinen roten Faden von der 68er Bewegung zu den rechten Skinheads strickt er simpel: „Heute kann sich keiner mehr mit kommunistischen Symbolen schmücken. Deshalb wird mit Glatzen und Hakenkreuzen provoziert.“ Er schüttelt den Kopf und das Fleisch seiner Wangen zittert dabei.
In Rage geredet, fletscht er die Zähne, daß sich sein dunkler Schnauzer auseinanderzieht. Die Nase kräuselt sich und die Augen blitzen klein durch die Brille. Ein bißchen wirkt er wie ein frisch frisierter Pudel, der zu bellen ver-
1sucht wie ein großer Boxer. Doch das täuscht: Auf dem Podium des Wirtschaftsrats der CDU steht ein Super-Gau und findet für seine, um eines seiner Worte zu verwenden,
1Schmadder-Thesen bei den ungefähr 300 Zuhörern in Anzug und Kostüm einhellige Zustimmung.
Sein Schlußwort gilt der Asyldebatte, als Umweltminister, wie er
1betont: „Die Natur korrigiert ihr Gleichgewicht, indem sie Arten sterben läßt. Dem können wir uns entwinden, indem wir selbst korrigieren.“ Torsten Schubert
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