: Reale Mitgliederversammlung
■ Betr.: "SPD-Basis im Altenheim: Demokratie - WOW!", taz vom 3.6.1993
Betr.: „SPD-Basis im Altenheim: Demokratie -WOW!“, taz vom 3. 6. 1993
Ein ganz köstlicher und süffisanter Stimmungsbericht über die SPD- Mitgliederversammlung in Altona- Nord. Genauso muß man sich den typischen SPD-Ortsverein vorstellen: Lieb, brav und bemüht, aber leider doch kleinbürgerlich und hausbacken - eine Partei mit Butterkuchen- und Kegelclubatmosphäre eben. Da weiß der aufgeklärte Großstadtintellektuelle wieder einmal, warum er unabhängig ist und sich bestimmt in einer solchen verstaubten Organisation nicht engagieren wird.
Herrlich symbolisch auch das passende Bild zu dem Artikel: Zwei verlassene alte Männer in einem riesigen Raum vor lauter leeren Biergläsern. Bonjour tristesse; so sind sie halt, die Sozis, leer und alt. Schade eigentlich, daß der abgebildete Raum niemanden in Altona-Nord bekannt ist und schon gar nicht der Raum ist, in dem die Versammlung stattgefunden hat. Schade auch, daß die beiden Alten vor ihren leeren Biergläsern ebenfalls niemandem in der SPD-Altona bekannt sind. Kleinkariert, wer so etwas bemängelt: Die symbolische Aussage des Bildes bleibt doch einfach witzig, auch wenn das Bild nichts mit der Realität zu tun hat.
Man hätte natürlich auch ein Bild von der realen Mitgliederversammlung drucken können, die rappelvoll und von zumeist jüngeren Leuten besucht war. Hätte man, hat man aber nicht. Das Klischee von der verlassenen und veralteten Partei hätte Schaden nehmen können.
Oder das Wahlverfahren: Da mußte der anwesende taz-Reporter seinen Nachbarn aufklären, daß die Mitgliederversammlung selbstverständlich überhaupt keine Rechte hat. Eine Findungskommission und die Kreiswahlkonferenz dürfen nach seiner Meinung „aufpassen, daß die Basis nicht aus Versehen gegen die weisen Beschlüsse der internen Machtzirkel und Vorstandsfunktionäre verstoßen“.
Schade eigentlich, daß auch das nicht stimmt: In der SPD-Altona hat jeder der neun Distrikte das Recht auf einen sicheren Kandidaten für die Bezirksversammlung, die sog. Erstnennung. Bei der beschriebenen Mitgliederversammlung wurde Lore Peters als Erstnennung beschlossen. Das hätte man natürlich auch schreiben können, hat man aber nicht. Das Klischee von der kungelgeilen, basisfernen Funktionärs-SPD hätte Schaden nehmen können.
(...) Liebe taz, ein letztes Wort: Daß Ihr diesen überkommenen Klischees von einer verstaubten, funktionärshörigen und basisfernen SPD huldigt, ist nicht schlimm. Daß Ihr Eure Klischees aber mit irreführenden Fotos und unwahren Tatsachenbehauptungen in einem solchen „Stimmungsbericht“ zu belegen versucht, dagegen schon. Dr. Matthias Bartke
Vorsitzender der SPD Alton-Nord
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen