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500 Türkinnen warten auf Einbürgerung

■ In Bremen schmoren die Anträge künftiger Deutscher acht mal so lange wie anderswo

Was hat das gedauert! Hamza Korkmaz ist erleichtert: Nach zwei Jahren Warten und mehreren Beschwerden hält er nun endlich die Pässe für sich, seine Frau und die drei Kinder in den Händen. Der Mann lebt seit 22 Jahren in Bremen und ist Betriebsratsmitglied: Er kennt sich aus mit Behörden und Funktionsträgern. Vielleicht, überlegt Korkmaz, hat erst sein Gespräch mit Ex-Bürgermeister Koschnick das Einbürgerungsverfahren beschleunigt. Manche, wie etwa die Bremerhavener Lehrerin Gönul Baki, müssen dagegen sogar einen Rechtsanwalt einschalten, um all die Papiere und Daten zu beschaffen, die die deutschen Behörden fordern. Zwei Jahre dauert diese Prozedur oft — in Nordrhein-Westfalen dagegen sei man innerhalb eines Vierteljahres eingebürgert, weiß der türkische Honorargeneralkonsul Karl-H. Grabbe.

Rund 500 Anträge warten derzeit in der Bremer Innenbehörde auf Bearbeitung. „Personalmangel“ heißt es lapidar zur Begründung. Dabei sind diese 500 nur ein winziger Teil der ImmigrantInnen in Bremen, die bereits einen Rechtsanspruch auf einen deutschen Paß haben. Von den 28.000 Bremer TürkInnen lebt nämlich die Hälfte seit über 15 Jahren hier. Nach zehn Jahren Aufenthalt liegt die Einbürgerung noch im Ermessen der Innenbehörde, nach 15 Jahren besteht ein Rechtsanspruch.

Doch einen Antrag gestellt haben im vergangenen Jahr gerade mal 267. Verglichen zum Beispiel mit Berlin ist dies eine klägliche Zahl. Dort erhielten mehrere Tausend TürkInnen einen deutschen Paß. „Wir sehen nicht gut aus in Bremen“, sagt Dagmar Lill, die Bremer Ausländerbeauftragte.

Sicher, wer eingebürgert werden möchte, muß den ausländischen Paß abgeben. Für TürkInnen heißt das, auf das Erben oder Kaufen von Boden in der Türkei zu verzichten. Doch es gibt auch Ausnahmen zum Grundsatz „Keine doppelte Staatsbürgerschaft“: Der deutsche Staat nimmt eine Mehrstaatigkeit zum Beispiel bei jungen Männern hin, die hier aufgewachsen und zur Schule gegangen sind und die wegen ausstehenden Militärdienstes vom Heimatland nicht aus der Staatsbürgerschaft entlassen werden.

Das ist der gesetzliche Rahmen, der aber offenbar dennoch Spielraum bietet: Denn in Berlin wird bei fast der Hälfte der Eingebürgerten die doppelte Staatsangehörigkeit hingenommen, weiß Dagmar Lill, bei den eingebürgerten Bremer TürkInnen haben vielleicht 18 Prozent den türkischen Paß behalten können.

In Berlin und anderswo geht die Einbürgerung also nicht nur schneller und dürfen mehr Eingebürgerte ihren Paß behalten, es beantragen in anderen Bundesländern auch mehr ImmigrantInnen die Einbürgerung. Abgelehnt werden ohnehin auch in Bremen fast keine Anträge.

Einen Trick allerdings scheinen vor allem die Berliner TürkInnen zu kennen: Sie geben den türkischen Paß ab, nehmen die deutsche Staatsbürgerschaft an und beantragen anschließend beim türkischen Konsulat erneut einen Paß, berichtet ein Mitarbeiter der Berliner Ausländerbeauftragten. Dem türkischen Konsulat nämlich ist es egal, wieviel Staatsbürgerschaften die Leute haben, Hauptsache sie sprechen ausreichend türkisch und kennen die türkische Geschichte. Und die Berliner Behörden haben offenbar kein Auge auf diese doppelte Staatsbürgerschaft durch die Hintertür. cis

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