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Hessens Haider heißt Kappel

FDP-Abgeordnete warnen vor „Neokolonialismus“ durch Ausländer / Die Bundesrepublik habe sich „selbst in den Augen der Ausländer lächerlich gemacht“  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) – Ausgerechnet am Tag des Brandanschlages gegen ein von AusländerInnen bewohntes Mietshaus im Frankfurter Gallusviertel (taz vom 9.6.) glaubten die freidemokratischen Landtagsabgeordneten Heiner E. Kappel und Alfred Schmidt schriftlich darauf hinweisen zu müssen, daß „zahlreiche Ausländer das Gastrecht in der Bundesrepublik aufs übelste mißbrauchen“. In einem den Mitgliedern der Landespressekonferenz zur „freien Verwendung“ überlassenen Brief werfen die beiden FDP-Landtagsabgeordneten den „ins Land gelockten Menschen fremder Nationalitäten und Kulturen“ vor, „im Land gleichsam eine Art Neokolonialismus begründet“ zu haben. Kappel/Schmidt: „Seit wieviel Jahren strömen Jahr für Jahr Hunderttausende legal, halblegal oder illegal ins Land, ohne daß der Staat vernünftige Regelungen zu dieser Entwicklung getroffen und diese dann auch durchgesetzt hätte?“ Diese Republik, und da sind sich Kappel und Schmidt sicher, habe sich „selbst in den Augen der Ausländer lächerlich gemacht“.

Ohne Ausländer sei die Republik gewiß ärmer, schreiben Kappel und Schmidt – „doch alles muß seine Grenzen haben“. Wer die Bundesrepublik mit einem „Tummelplatz der Illegalität“ verwechsele, dem müsse umgehend die Tür gewiesen werden: „und zwar nach draußen!“ Die Menschen in diesem Land, so heißt es weiter, hätten es satt, sich mit dem pauschalen Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit konfrontiert zu sehen und ein permanent schlechtes Gewissen mit sich herumzutragen – „und zu diesen Menschen zählen wir uns auch“. Das Fazit der beiden Landtagsabgeordneten: Es dürfe nicht zugelassen werden, daß „uns“ die „schlimmen Ereignisse“ in Rostock, Mölln oder Solingen in der Politik die „Klarheit und Sauberkeit verantwortlichen Denkens und Handelns nehmen“. Denn während unsere westlichen Nachbardemokratien den Zuzug von Ausländern und die Aufnahme von Asylsuchenden inzwischen „in politischer Weitsicht“ begrenzten, werde bei uns die doppelte Staatsbürgerschaft als Allheilmittel propagiert und den Deutschen gepredigt, daß sie „nie mehr allein sein werden“.

FDP-Fraktionschef und Präsidiumsmitglied Wolfgang Gerhardt wollte sich zu dem Schreiben überhaupt nicht äußern. Die Grünen sprachen von „verquastem Republikanergeschwätz“. Horst Burghardt (MdL Grüne) sagte: „Offensichtlich versuchen Kappel und Schmidt die FDP wie der FPÖ- Rechtsausleger Haider in Österreich mit dumpf nationalen Parolen auf einen nationalliberalen Kurs zu bringen.“ Schon in der Vergangenheit habe Kappel immer wieder versucht, mit seinen „Überfremdungstheorien“ Ängste zu schüren. Und im Namen der FDP-Fraktion hatte Kappel während der Debatte um die Unterbringung von Flüchtlingen in Hessen die Umwandlung des Asylrechts in ein „Gnadenrecht“ verlangt.

Während Kappel noch am Mittwoch zu seinen Thesen stand, ging Schmidt – Ex-Wirtschaftsminister im Kabinett Wallmann – vorsichtig auf Distanz. Er habe nicht genau gelesen, was ihm Kappel da am Dienstag zum Unterschreiben vorgelegt habe, sagte Schmidt dem Hessischen Rundfunk.

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