: Im Wisch-Akkord durch die Flure
■ Bei den Putzfrauen im öffentlichen Dienst soll gespart werden / 180 Quadratmeter pro halber Schicht
Im Wisch-Akkord durch die Flure
Bei den Putzfrauen im öffentlichen Dienst soll gespart werden / 180 Quadratmeter pro halber Schicht
Die Bremer Putzfrauen putzen so wenig Fläche wie in keiner anderen bundesdeutschen Großstadt: Das behauptet jedenfalls der Bremer Senat. Richtig scheel geguckt hätten die anderen Bundesländer auf den Posten Gebäudereinigung bei den Verhandlungen zum Sanierungsprogramm. Der Senat hat reagiert und die Dienstvereinbarung zum 1. August gekündigt.
Damit hat die Stadt, vertreten durch den Kommunalen Arbeitgeberverband, freie Hand zur Einführung von allerhand Gemeinheiten. So sieht das jedenfalls die ÖTV: AB August darf die Reinigung von Schulen, Finanzamt, Kindertagesheimen an Privatfirmen vergeben werden — die etwa um zwei Mark niedrigere Stundenlöhne zahlen als die Personalstelle des öffentlichen Dienstes, die Senatskommission für das Personalwesen (SKP). Ab August sollen die Putzfrauen während der Ferien nicht mehr in den Schulen putzen, in der übrigen Zeit dafür mehr als acht Stunden täglich — Jahresarbeitszeit heißt sowas. Wenn nicht in den Ferien, wann dann sollen die Schulen mal so richtig gründlich geputzt werden, fragen die Frauen. Vor allem jedoch sollen sie bis zu 30 Prozent mehr Fläche schaffen.
Was niemand erwartet hat: Die Putzfrauen schlucken diese Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen nicht. Heute stehen sie schon wieder auf der Straße und demonstrieren. Währenddessen schleppen sich die Verhandlungen zwischen ÖTV und dem Kommunalen Arbeitgeberverband ergebnislos von Runde zu Runde.
Mit einer Erhöhung der Richt
180 Quadratmeter soll eine Putzfrau künftig in 4,5 Stunden reinigenFoto: Tristan Vankann
werte wären die Frauen sogar einverstanden, wenn dann auch ein Springer-Dienst eingerichtet würde. Derzeit nämlich übernehmen die festen Kräfte die Arbeit von kranken Kolleginnen selbst und kommen so ohnehin auf Richtwerte von 150 bis 180 Quadratmetern in 4,5 Stunden.
Übrigens gilt ein Quadratmeter als einer, egal ob da noch ein Klo draufsteht, was auch noch geputzt werden muß, oder nicht. Deswegen verlangen die Frauen für bestimmte Einrichtungen wie etwa Kindertagesheime oder Schulen niedrigere Flächenrichtzahlen: Dort gibt es Kuschelecken, Raumteiler, Sprachlabors, die Kinder sollen selbst kochen dürfen .... das macht eben alles „Dreck“ und
hier bitte
die Frau beim Putzen
man muß man mit dem Staubsauger drumrumkurven.
Eigentlich wollte die ÖTV über den Kauf modernerer Putzmaschinen verhandeln oder ausschließen, daß in einigen Schulen die Frauen weiterhin das heiße Wasser aus dem Keller ins Obergeschoß tragen müssen. Daraus wird nun nichts. Jetzt gehe es nur noch darum, möglichst viele Arbeitsplätze zu sichern, sagt Bärbel Lohmann vom Personalrat des Amtes für Soziale Dienste Süd.
Das heißt vor allem: Zu vereinbaren, daß möglichst wenige Gebäude von Privatfirmen gereinigt werden. Immerhin will die Stadt mindestens 50 Prozent privatisieren. Zwar soll keiner Frau gekündigt werden — man setzt stattdes
sen auf die hohe Fluktuation — doch diese Frauenarbeitsplätze sind langfristig futsch, so Holger Aebker von der ÖTV.
Wenigstens soll die Stadt verpflichtet werden, die Aufträge nur an Firmen zu geben, die sozialversicherungspflichtig beschäftigen. Aber wer will das kontrollieren, fragt sich Bertriebsrätin Lohmann. Von der SPD erwartet sie in dieser Sache nicht mehr viel Unterstützung. Dabei war es Hans Koschnick gewesen, der vor zehn Jahren die alte Dienstvereinbarung durchgesetzt hatte, um gerade diese „Kollegengruppe“ abzusichern. Und auch die SPD soll schon mal beschlossen haben, nicht zuerst bei den ArbeiterInnen zu sparen. cis
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