: Prügelnder Polizist vor Gericht
■ Angeklagter leugnet Angriff auf Reporter / Neß lehnt Prozeß-Einstellung ab
„Ich dachte, das wäre mit meiner Aussage erledigt.“ Doch Gerd Schröder, Zugführer des Einsatzzuges Süd, irrte. Seit gestern steht der 32jährige Polizist wegen Körperverletzung im Amt vorm Kadi. Grund: Der Beamte soll am 29. April vorigen Jahres den Journalisten Oliver Neß im Verlauf der Judenproteste vor dem Hertie Ouarree geschlagen haben.
In der Tat haben derartige Prozesse Seltenheitswert. In der Regel bestreiten Polizisten generell Übergriffe auf Journalisten, und das Verfahren wird dann schließlich mangels Beweise von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Und auch in diesem Fall weist Gerd Schröder die Anschuldigungen zurück. Laut seiner Version sei es an jenem Mittag, als ein LKW-Konvoi die Baustelle verlassen wollte, durch orthodoxe Juden zu Blockaden gekommen. Im Verlauf der Räumung hätte es dann auf der „linken Straßenseite“ einen Disput zwischen ihm und Neß gegeben. Es könne sein, daß er den Journalisten dabei leicht „geschubst“ habe. Für Oliver Neß ist diese Darstellung völliger Quatsch: Vielmehr habe er sich auf der rechten Straßenseite befunden, als Schröder mit seinem Einsatzzug aufmarschierte und ihm einen „Schlag mit dem Ellenbogen in den Oberkörper“ versetzte. „Ich bin zwei Schritte zurückgetaumelt, dann aber wieder auf den Beamten zugangen und habe gefragt, was das denn solle.“ Schröder habe sich dann umgedreht und ihm noch einen Schlag auf die Wange verpaßt. Als er daraufhin die Dienstnummer verlangt habe sei er von mehreren Beamten umzingelt und an eine Hausmauer gepreßt worden.
Das Pech für den Polizisten: Kollegen von Oliver Neß hatten den Vorfall beobachtet. Reporter Christoph Hermani: „Ich konnte sehen, wie der Polizist Herrn Neß mit dem Ellenbogen gecheckt hat.“ Wenig später habe er ihm dann noch eine „Backpfeife“ versetzt.
Polizist Schröder versucht, durch eigenst bestellte Zeugen seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Zu diesem Zweck hat Schröder zwei Polizei-Kradfahrer und einen LKW-Fahrer in den Zeugenstand des Amtsgerichts Altona gerufen. Doch diese Zeugen schilderten einen Vorfall, der mit der Attacke gegen Naß nichts zu tun hat. Denn bei diesem verhandelten Vorfall das belegen Beweismittel, die am nächsten Verhandlungstag vorgelegt werden waren gar keine „weißen Mäuse“ vor Ort. Entweder schildern die Motorrad-Polizisten also einen ganz anderen Vorfall, oder Schröder versucht, mit diesem Ablenkungsmanöver seinen Übergriff zu vertuschen.
Auf den Vorschlag von Amtsrichter Siegfried Schulz-Jordan, nämlich den Vorfall einzuräumen, sich bei Oliver Neß zu entschuldigen, wenn dafür der Prozeß eingestellt wird, wollte sich Schröder nicht einlassen. Und auch Oliver Neß äußerte starke Vorbehalte dagegen, das Verfahren nun sang- und klanglos einzustellen. Neß: „Die Übergriffe auf Jounalisten durch Polizisten haben in Hamburg Kontinuität.“ Wenn Schröder so glimpflich davonkäme, wäre dies ein Anreiz für andere Polizisten, gegen Pressevertreter vorzugehen. Neß: „Ich denke nur an die Kollegin Marily Stroux, die von Polizisten in der Hafenstraße die Treppe heruntergestoßen worden ist, damit sie keine Fotos macht.“
Kai von Appen
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