piwik no script img

"Gegebenenfalls auch kungeln"

■ "Journalistinnen zwischen Anpassung und Abweichung": Diskussion beim Medienforum in Köln

Heutzutage gibt es 30 Prozent Frauen im Journalismus. Nach dem Krieg betrug ihr Anteil beispielsweise im Ruhrgebiet drei Prozent der Festangestellten. Unter den BerufseinsteigerInnen ist in diesen Tagen jede zweite eine Frau. „Statistisch haben die Frauen mächtige Sprünge gemacht im Journalismus“, aber, so die Kommunikationswissenschaftlerin Dr. Elisabeth Klaus, Journalistinnen haben das Gesicht des Journalismus kaum verändert. Immerhin war es die Hörfunkjournalistin Carola Stern, die als erste in einem Kommentar das Wort „Ich“ gebraucht hatte – was heute gang und gäbe ist.

Nach einer US-Studie, berichtete Klaus, wählen Frauen allerdings Nachrichten nicht anders als die Männer aus, und das Bild vom „einsamen Wolf“ in der Mediensteppe habe den Zugang der Frauen unbeschadet überstanden: keine Intendantin und nur eine Chefredakteurin bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Bei den Tageszeitungen sieht es noch trüber aus: Elke Schmitter von der taz ist eine von 0,5 Prozent Frauen in Chefredaktionen. „Journalistinnen zwischen Anpassung und Abweichung“ hieß das Thema einer Podiumsdiskussion in Köln, die das Gleichstellungsministerium Nordrhein-Westfalen am vergangenen Sonntag im Rahmen des Medienforums NRW veranstaltete. Erst käme die Anpassung, dann sei die Abweichung möglich, behauptete die Hörfunk- und TV- Journalistin Gisela Marx. Als Beispiel nannte sie unter anderem Sonia Mikich. Die TV-Korrespondentin habe sich im WDR auch erst anpassen müssen, jetzt mache sie aus Moskau neugierige und bessere Berichte als andere. Gisela Marx ist der Ansicht, Journalistinnen könnten schon im viel größeren „Mittelfeld“ Einfluß nehmen, nicht erst auf der obersten hierarchischen Ebene. Sobald sie Programmverantwortung haben, könnten sie gestalten. Journalistinnen müßten mehr perspektivisch denken. Sie könnten auch von innen heraus verändern und nicht nur mit großem Energieeinsatz eigene Netzwerke aufbauen. Aber wenn es sie denn gäbe, müßten sie den engen Kontakt zu den Politikern suchen, die über (programm- )entscheidende Stellen verfügen, und gegebenenfalls auch kungeln.

Das Mittelfeld weit hinter sich gelassen hat Eva Kohlrusch: Sechs Jahre in der Chefetage von Bild, dann Chefredakteurin von Super, jetzt Autorin für den Burda-Verlag. „Ich wurde geholt, um Bild für Frauen lesbarer zu machen.“ Die „kaufmännisch korrekte Entscheidung“, die Martktlücke „Frauen“ zu schließen, verwirklichte Kohlrusch mit Erfolg vor allem als „Verhinderungsarbeit“ gegen Männer, „die dachten, mehr Strickmuster müßten her“. Inzwischen, nach 25 Jahren im Beruf und einem großen Teil davon im Boulevardjournalismus, könne sie nicht mehr schreiben wie früher: „Ich wollte mitmischen, wollte über meine Themen frei entscheiden können, dafür bin ich gerannt und gerannt und habe meine Ziele verloren.“ „Freie Luft bei Springer, liebe Eva“, befand Alice Schwarzer von Emma mitleidslos.

Eine Hilfe gegen das „Verführungs- und Gefahrenpotential des Erfolgs“ sieht die WDR-Fernsehredakteurin Inge von Bönninghausen in dem frauenpolitischen Bezug, den sie sich um die Arbeit herum gesucht hat, ein Beispiel für die Bedeutung autonomer Arbeitszusammenhänge und feministischer Bezüge, die Elisabeth Klaus als wichtig für journalistische Alternativen herausstellte.

Keinen Einfluß haben Frauen, wo es um die sich abzeichnende Veränderung des Fernsehens hin zur häppchenweisen Abhandlung von Themen und zur Anpassung der Öffentlich-Rechtlichen an die Privaten geht. „Damit geht auch die Veränderung des Selbstverständnisses von Frauen in den Medien einher“, meinte Gisela Marx. Journalistinnen werden im Fernsehen in Zukunft noch stärker vertreten sein, aber, so von Bönninghausen, als „Papis Lieblingstöchter“, „schmückendes Beiwerk“ im Infotainment oder als Moderatorinnen, die gerade frauenfeindliche Themen verkaufen helfen sollen. In der vor einem Vierteljahr gegründeten Gewaltkommission der ARD sitzt nur eine Frau unter sieben Männern, beklagte die Vorsitzende des Journalistinnenbundes; hier gehörten zur Hälfte Frauen rein mit ihren anderen Gewalterfahrungen.

Veränderung der Medien durch die Frauen? Elisabeth Klaus von der Uni Dortmund wies auf die markantesten Veränderungen in den USA hin: In den von Frauen dominierten Berufszweigen stagniert das Einkommen, und das Ansehen sinkt. Bereits jetzt gebe es im lokalen Hörfunk in NRW die Tendenz, nicht mehr RedakteurInnen, sondern „redaktionelle MitarbeiterInnen“ einzustellen – um sie für dieselbe Arbeit schlechter zu bezahlen als vorher. Marianne Lange

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen