■ Ab heute gilt eine neue Abtreibungsregelung
: Verqueres Bubenstück

Ab heute gilt die vom Bundesverfassungsgericht vor gerade einmal zwei Wochen kundgetane Übergangsregelung in Sachen Schwangerschaftsabbruch. Das heißt, Abtreibung ist fortan eine rechtswidrige, aber (nach, auch anonymer, Beratung) straflose Privatsache, für die die Frauen selbst zahlen müssen. Es sei denn, es wird festgestellt, daß das Kind an bleibenden Schäden leiden wird oder daß die Frau infolge einer Vergewaltigung schwanger ist oder daß die Fortsetzung der Schwangerschaft Gefahr für die (auch psychische) Gesundheit der Frau birgt, zum Beispiel weil sie bei dem Gedanken, ungewollt Mutter zu werden, durchzudrehen, mithin „psychisch zu dekompensieren“ droht.

Trotz der kurzen Zeit gibt es inzwischen u.a. eine „Frauenkasse“, ein Spendenkonto, durch das Frauen, denen es schwerfällt, die Abtreibung selbst zu bezahlen, das Geld zur Verfügung gestellt wird. Die schnelle und erfolgreiche Einrichtung des Kontos zeigt, daß Selbsthilfe funktioniert und daß sich Frauen selber helfen können.

Außerdem haben die BundesverfassungsrichterInnen, nachdem sie machthaberisch das grundsätzliche Verbot des Schwangerschaftsabbruches dekretierten und dadurch Krankenkassenleistungen ausschlossen, zu guter Letzt erlaubt, daß auch für die rechtswidrigen Abtreibungen der Paragraph 37 a Bundessozialhilfegesetz gilt, wonach bei einem nicht rechtswidrigen Abbruch einer Schwangerschaft der Staat den Abbruch zahlt. Amtliche Rundschreiben und Merkblätter für die Sozialämter sind erstellt oder in Vorbereitung und werden auch den Beratungsstellen zur Verfügung gestellt.

Es wird in der nächsten Zeit insbesondere in den neuen Bundesländern, wo es noch nicht genügend Beratungsstellen gibt, wohl die Aufgabe von ÄrztInnen sein, als Ratgeber und Wegweiser bei dem bürokratischen Hindernislauf zu wirken. Sie sind die ersten, an die eine schwangere Frau sich wenden wird. Sie müssen imstande sein, jede ungewollt schwangere Frau darüber zu informieren, daß für die Kosten des Schwangerschaftsabbruchs Vorsorge getroffen ist, sei's durch private Spenden, sei's durch die staatliche Kostenübernahme und daß hektische Eile keineswegs geboten ist, weil die Kostenübernahmen auch noch nach dem Schwangerschaftsabbruch beantragt werden können. Die Frauen brauchen nicht als Bittstellerinnen aufzutreten. Es ist Gesetz und ihr gutes Recht, daß der Staat die Kosten übernimmt, die die Krankenkassen aufgrund des Richterspruchs nicht mehr bezahlen. Das haben die RichterInnen immerhin selbst eingesehen.

Es ist schon ein verqueres Bubenstück der RichterInnen, durch ihren Urteilsspruch viele Frauen erst einmal in solche Nöte zu stürzen, damit alsdann der Sozialstaat einspringen muß, um diesen Frauen eine Entscheidungssituation frei von Geldnöten und einen kunstgerecht durchgeführten Schwangerschaftsabbruch zu ermöglichen. Helga Wullweber

Rechtsanwältin, arbeitet in Hamburg und Berlin