: Trauerspiel um Akademiegründung
■ CDU setzte Vertagung des Staatsvertrages auf September durch / SPD stimmte aus Koalitionsraison für Vertagung
Die für gestern geplante Verabschiedung des Staatsvertrags über die Akademie der Künste im Berliner Abgeordnetenhaus ist geplatzt. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen und die Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD, Klaus Landowsky und Ditmar Staffelt, verständigten sich am Mittwoch abend darauf, den Termin auf den 2. September zu verschieben. Bis dahin soll der CDU die Möglichkeit gegeben werden, einen Ausweg aus der parteiinternen Krise zu finden, in die sie sich in der Auseinandersetzung um die Akademie manövriert hat.
Wegen der geplanten En-bloc- Übernahme der ihrer Ansicht nach Stasi-belasteten Ostberliner Akademiemitglieder hatte sich die CDU-Fraktion bis zuletzt gegen den Staatsvertrag ausgesprochen. Sie wußte in der Ablehnung Bundeskanzler Helmut Kohl auf ihrer Seite. Diepgen hatte den Staatsvertrag bereits im letzten Jahr mit der brandenburgischen Landesregierung ausgehandelt, der Vertrag war im September im Senat verabschiedet worden. Um zu vermeiden, daß die CDU in dieser Frage gegen den eigenen Vorsitzenden votiert und dieser auf die Stimmen des Bündnis 90/ Grüne und der PDS angewiesen ist, wurde die Vertagung beschlossen. Die SPD stimmte dieser Vorgehensweise aus Gründen der Koalitionsraison zu, obgleich dadurch nach Ansicht des Fraktionssprechers Peter Stadtmüller das Ansehen der Stadt beschädigt werde. Er fürchtet, daß wegen dieses „jämmerlichen Vorgang“ sich die Frage nach der Handlungsfähigkeit der Koalition stelle.
In einer Regierungserklärung vor dem Abgeordnetenhaus begründete Diepgen gestern die Verschiebung des Termins damit, daß der Akademie die Möglichkeit zur Auseinandersetzung eingeräumt werden solle. Die mit dem Staatsvertrag beschlossene Vereinigung der beiden ehemals getrennten Akademien Ost- und Westberlins solle den Reformprozeß nicht abschließen, sondern anschieben. Diepgen forderte von der Akademie eine „konsequente Prüfung auf dem Hintergrund der Satzung“. Damit spielte er auf die rechtliche Möglichkeit an, Stasi- belastete Mitglieder wegen unwürdigen Verhaltens auszuschließen. Diepgen forderte zudem, daß ausgetretene Künstler den Weg zurückfinden können müssen.
Diepgen, dessen Stellung als Regierungschef durch die Verschiebung angeschlagen ist, muß nun die Zeit nutzen, um seine Fraktion wieder hinter sich zu bringen. Wie Landowsky gestern erklärte, werde in dieser Frage der Fraktionszwang aufgehoben. Die CDU erwartet, so erläuterte Fraktionssprecher Markus Kauffmann gestern, bis zum 2. September von der Akademie „ein sichtbares Zeichen“, daß sie sich von der Stasi- Belastung löse. Der Präsidialsekretär der Akademie, Gerhard Hannesen, hat dieses Ansinnen zurückgewiesen. Es sei eine Brüskierung der Akademiemitglieder, die CDU trete so auf, als handele es sich um eine Staatsakademie wie zu DDR-Zeiten. Dieter Rulff
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