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Enthüllende Schleier

„In a Perfect World“ – Ein Interview mit dem Londoner Fotografen Denis Doran, der die Schwulennonnengruppe „Sisters of Perpetual Indulgence“ auf ihren Safer-Sex-Aktionen begleitete  ■ Von Beate Lemcke

Im Kontext der IX. Welt-Aids- Konferenz in Berlin zeigt die LiteraturWerkstatt am Majakowskiring Bilder des Londoner Fotografen Denis Doran (bis zum 23.6.).

Ihn faszinierte vor allem die Theatralik, mit der die „Sisters of Perpetual Indulgence“ bei ihren „Rubber-Habit“-Kampagnen auftreten. So fotografierte er eine Serie von Gruppenbildern und Porträts sowie Aktionen, die in der Ausstellung „In A Perfect World“ bereits in der Galerie „caoc“ sowie in Glasgow zu sehen waren.

taz: Verstehen Sie Ihre Fotoserie mit den Sisters of Perpetual Indulgence als Kampagne zur Aids- Prävention?

Denis Doran: Was mich fesselt, sind die dramatischen Gesten, derer sich die Sisters bedienen. Sie konfrontieren die Menschen mit einem Thema, über das heute schon freier gesprochen wird als vor zehn Jahren. Ich hoffe, die Bilder regen die Diskussion weiter an. Dabei will ich nicht missionierend wirken, aber vielleicht sehen auch andere mit Neugier und mit Sympathie auf die Schwestern, so wie ich.

Wie bekamen Sie Kontakt zu den Schwestern?

Ich fotografierte auf einer Homosexuellen-Demonstration in London, später traf ich die Sisters im Londoner Gay-Zentrum. Ich fragte sie, ob es möglich wäre, eine Porträtserie mit ihnen zu machen, und dachte an zwei, drei Wochen Arbeit. Doch letztlich beanspruchte mich dieses Projekt mehr als zwei Jahre. Die Bilder wurden zu einer ersten Manifestation der australischen Mother Ethyl Dreads a Flashback, der in Großbritannien den Order of the sisters Perpetual Indulgence etablieren wollte.

DIe Idee, daß Männer in der Verkleidung als Nonnen auf die Straße gehen, ist – zumindest ungewohnt. Was reizte Sie daran?

Es war die Faszination dieses Habitus, dieses Auftreten, das so im Widerspruch zur Gesellschaft schien. Zuerst fotografierte ich als Beobachter. Doch mit dem Fotografieren fühlte ich mich immer mehr auch in die Idee ein.

Was denken Sie über die Philosophie der Sisters?

Es ist eine schöne Vorstellung: Die Sühne stigmatischer Schuld und die Verkündigung universeller Freude. Die Ordenstracht als öffentliches Bekenntnis zur Sexualität, die Verhüllung zum Zwecke des Entschleierns. Vor allem ist der Humor dieser Philosophie, die für Toleranz und Nächstenliebe wirbt, sehr stark.

Das Spielerische scheint in der Tat für die Sisters eine wichtige Methode zu sein. Hat diese Leichtigkeit Sie erreicht?

Ich hätte nicht 24 todernste Stunden am Tag mit den Sisters verbringen wollen. Für mich schält sich in der Verbindung mit der Comedy auch die Problematik besser heraus als auf einem engen dokumentarischen Weg.

War für die Sisters-Serie zuerst eine Geschichte da oder entstanden die Aufnahmen spontan?

Das war eine Mischung. Die Sisters waren ziemlich froh darüber, mir die Regie zu übertragen. Aber manchmal geriet es außer Kontrolle, dann entstanden die Bilder wie von selbst.

Einige der Fotos zeigten Sie bereits vor Monaten in Liverpool. Welche Erfahrungen machten Sie mit der Öffentlichkeit, wie reagierte die Kirche?

Die Reaktion in Liverpool war erstaunlich, fast alle mochten die Bilder. Von der Kirche kam kein Echo, bloß aus Frankreich hörte ich etwas in der Richtung, das sei Blasphemie. Mir hat diese überwiegend interessierte, neugierige und lustvolle Reaktion auf meine Bilder Hoffnung gegeben.

Sie haben auch über „Alternativen zum Jugendstrafvollzug“ und „Menschen am Rande der Gesellschaft“ gearbeitet, woher kommt Ihr soziales Engagement?

Aus meinem Background. Ich bin im Arbeitermilieu aufgewachsen, in einer Industriegegend an der Nordostküste von England. Mich ärgert, daß so viele junge Leute heute einen schwierigen Platz in der Gesellschaft haben. Es gibt viele engagierte, alternative Projekte, und die können meine Fotos für Wanderausstellungen nutzen.

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