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Grandtour und Kurztrip

DuMont deckt fast alle Reiseführer-Segmente ab, Marco Polo besticht mit seinem Stil  ■ Von Martin Rosenow

Sein Renommee hat sich der DuMont Verlag mit den Kunst- Reiseführern erworben. Die über 170 lieferbaren Titel dieser Reihe stellen immer noch das Flaggschiff der insgesamt fünf Reiseführer-Serien des Verlages dar. Aneinandergereiht ergeben die dickleibigen Kunst-Bände mit dem stolzen Preis von je 44 DM rund vier laufende Regalmeter. Von Aachen bis Zypern decken die Bücher alle Ecken und Enden der Reisewelt ab. Der geographische Schwerpunkt liegt – neben Deutschland – auf Italien und Frankreich. Der Reisestrom dorthin scheint ungebrochen und ist eine sichere Bank für den Verlag. So erleben bei- spielsweise der Toskana-Band die 16. und das Loire-Buch die 14. Auflage.

Die Reihe hat unter kritischen LeserInnen ein schlechtes Image. Die dicken Wälzer seien nur etwas für bildungsbeflissene Studienräte und -innen, die auf ihrer grand tour durch Frankreich keine Kirche und kein Schloß auslassen können. Dieses Vorurteil hat einen realen Hintergrund. Die DuMont-Kunstführer sind dann zuverlässige und kompetente Begleiter und strotzen von profundem Wissen, wenn es um das tradierte Verständnis von Kunst und Kultur geht. Romanik, Gotik und Ming satt. In aller Regel flüssig geschrieben, oft auch mit unterhaltsamen Anekdoten versetzt, folgen die meisten Bände der Reihe dem Prinzip „je älter desto wichtiger“. Mit dem Beginn der Neuzeit ist in den meisten Büchern nämlich Schluß. Seit der Jahrhundertwende gibt es für viele AutorInnen offenbar nichts Erwähnenswertes mehr. Jugendstil und Neue Sachlichkeit, Rationalismus und Postmoderne: zumeist Fehlanzeige. Der traditionelle Kunstbegriff wird bei DuMont selten hinterfragt oder gar gesprengt. Industrie- und Alltagskultur kommen einfach nicht vor.

Mit der Zeitgeschichte und der Gegenwart setzt sich die zweite Reihe des Verlages durchaus auseinander. Unter dem imperativen Serientitel Richtig reisen sind mittlerweile auch schon annähernd 100 Bücher erschienen (ebenfalls 44 DM pro Band). Bekannt und beliebt ist die Reihe wegen ihrer feuilletonistischen Herangehensweise geworden. Statt einer sachlich-trockenen Auflistung von Sehenswürdigkeiten wird versucht, sich in lesbaren und unterhaltsamen Texten einer Stadt oder einer Region zu nähern. Wie weit dies glückt, ist gerade bei dieser Konzeption stark vom schriftstellerischen Können der AutorInnen abhängig. Und da gibt es gewaltige Unterschiede. Die Text- und Informationsqualität ist höchst verschieden. Manche AutorInnen begreifen ihr Zielgebiet als eine Aneinanderreihung von aufsuchenswerten Cafés, Kneipen, Discos und sonstigen Unterhaltungsetablissements. Alles weitere ist Beiwerk. Manche Bände lassen nach dem Motto „die Tiroler sind lustig“ kein gängiges Stereotyp und Klischee aus. Andere VerfasserInnen schaffen es aber, mit lockerer Schreibe ein realitätsnahes, differenzierendes Bild zu vermitteln, gerade weil sie die gängigen touristischen Trampelpfade verlassen.

Mit einem Preis unter 20 DM und im handlichen Kleinformat wollen die Reise-Taschenbücher als dritte Reihe eine andere Zielgruppe ansprechen. In der Konzeption verfolgt der DuMont Verlag hier einen Mittelweg. Reiseführerüblich werden in meist sachlich- nüchternen Texten die Sehenswürdigkeiten abgehandelt. Eingebettet sind reportagenähnliche Passagen, die kurz und prägnant Hin- tergrundinformationen zu Themen der Geschichte und Gegenwart liefern, wobei auch Kritisches und Skurriles nicht ausblendet wird.

Aus der Reihe der „klassischen“ Reiseführer fällt die noch kleine Serie Richtig wandern (29,80 DM pro Band). Die meisten Bücher enthalten rund 30 bis 40 Routenvorschläge. Allerdings handelt es sich bei vielen Wanderungen nur um kurze Spaziergänge. Im Gegensatz zur gängigen Wanderführerliteratur anderer Verlage beschränken sich die DuMont-AutorInnen nicht auf langweilige Wegebeschreibungen, sondern propagieren mit zahlreichen Informationen zu Kultur und Natur das Zu-Fuß-Gehen als Reiseform, eine Region langsam und behutsam zu entdecken.

Auf die fünfte und jüngste Reihe, DuMont visuell, muß an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Am 10. April 93 stellte die taz die neueste Kreation des Verlages, die die Welt als Videoclip in Buchform behandelt, ausführlich vor.

Sie sind so dünn wie die berühmt-berüchtigten Polyglotts: die Marco Polo Reiseführer des Verlagsgiganten Mairs Geographischer Verlag. Schlanke sechsundneunzig Seiten für neunhundertachtzig Pfennige (einige Bände umfassen knappe 150 Seiten für 14,80 DM). Was kann da schon drin stehen? Die Komplexität einer Stadt oder gar eines Landes auf weniger als 100 Druckseiten darzustellen, ist unmöglich. Aber Marco Polo schlägt sich wacker. Den meisten AutorInnen gelingt es, eine fundierte Auswahl an Basisinformationen zu liefern. Knappe Texte, wirklich nur das Notwendigste, aber die Auswahl besticht. Das Layout ist übersichtlich, die Sprache klar und direkt, bisweilen frech und ironisch. Der kleine Blaue für einen Marco-Polo-Band ist kein hinausgeworfenes Geld.

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