: Doppelte Staatsbürgerschaft für Ausländerkinder bei der Geburt
■ Interview mit Horst Eyrich (CDU), Vorsitzender des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags / Für großzügige Gewährung der doppelten Staatsbürgerschaft
taz : Was halten Sie von der doppelten Staatsbürgerschaft?
Horst Eylmann: Ich halte es im Grundsatz für ein vernünftiges Prinzip, keine doppelte Staatsbürgerschaft zu haben. Andererseits werden die Nachteile, die mit einer doppelten Staatsbürgerschaft verbunden sind, auch zum Teil übertrieben. Ich meine, daß wir in der gegenwärtigen Situation auf die bei uns lebenden Ausländer zugehen müssen, um die krisenhafte Entwicklung zu überwinden. Da sollten wir großzügig sein und entweder die Ausnahmemöglichkeiten erweitern oder, was mir sehr sympathisch wäre, eine Doppelstaatsangehörigkeit auf Zeit zulassen. Das wäre mir deshalb sympathisch, weil mit einer solchen Regelung der Befindlichkeit der Ausländer entsprochen würde, indem ihnen eine Zeit gewährt würde, sich von ihrer Heimat zu lösen.
Aber auch nach Ablauf einer Zeitspanne gäbe es die zivilrechtlichen Probleme, vor allem im Bereich des Erbrechts.
Diese Hindernisse könnten in vielen Fällen bilateral gelöst werden, wie es bei der Wehrpflicht schon geschehen ist. Andererseits könnte die Türkei auch das ihre dazu tun, die Nachteile, die mit der Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit verbunden sind, zu entschärfen.
Sie sagten, wir sollten, was die Doppelstaatsangehörigkeit anbelangt, großzügig sein. An welche Personengruppen denken Sie dabei konkret?
Ich denke dabei an alle Ausländer, die – über die genaue Zeit kann man streiten –, acht, zehn oder zwölf Jahre bei uns leben, die hier bleiben wollen und die integrationswillig sind. Das heißt aber auch, daß wir in der jetzigen Situation aufstehen und auf die Ausländer zugehen müssen. Es liegt in unserem eigenen Interesse, daß wir keine Personengruppe haben, die dauernd hier lebt, aber nicht an den vollen staatsbürgerlichen Rechten teilhat und deshalb immer ein Stück fremd bleibt.
Um das zu befördern, könnte man die staatsbürgerlichen Rechte von Anfang an zuerkennen.
Nein, ich möchte einem Ausländer die staatsbürgerlichen Rechte noch nicht geben, wenn er erst drei Jahre hier ist und noch kein deutsch spricht.
Und was ist mit denen, die hier geboren wurden?
Den Ausländern, die hier geboren sind, möchte ich die deutsche Staatsbürgerschaft gleich geben, sofern die Eltern hier leben.
Das heißt, Sie wollen das Abstammungsprinzip um das Territorialprinzip ergänzen.
Ich will das Prinzip nicht ändern. Aber wer hier geboren ist, der kann durch seine Eltern sofort einen Antrag stellen und wird Deutscher. Das „ius soli“ wird im Augenblick so hoch gehalten, es hat aber auch große Nachteile. Ich will niemandem, der rein zufällig hier geboren wird, die deutsche Staatsangehörigkeit zuerkennen.
Aber ist es nicht öbszön, das reine Blutrecht nach wie vor hochzuhalten und all das, was ideologisch damit einhergeht, wachzuhalten?
Da gebe ich Ihnen recht. Das Staatsangehörigkeitsrecht stammt aus dem Jahr 1913 und ist in der Tat antiquiert. Aber für mich verbindet sich mit diesem Recht des Blutes, wie es ja heißt, nichts Ideologisches. Ich gehe nicht von dem Blut, sondern von dem erklärten und unter Beweis gestellten Willen des Bürgers aus, Deutscher werden zu wollen.
Wenn man also einmal von den Terminologien – des Blut- bzw. Bodenrechts absieht – dann überschneidet sich Ihre Position in Teilen mit denen von SPD und FDP.
Ja, es gibt durchaus Überschneidungen. Ich will aber nicht so weit gehen, die doppelte Staatsangehörigkeit generell anzuerkennen.
Sind Sie mit den Rahmenbedingungen, die Sie in diesem Gespräch genannt haben, innerhalb Ihrer Fraktion mehrheitsfähig?
Es ist bei uns ja viel in Bewegung gekommen. Herrn Stercken hat sich offen gezeigt, Herr Gerster hat sich bereits Ende Februar bewegt, Herr Geißler sowieso. Und der Kanzler hat sich ja gerade dazu geäußert. Der hat sich zwar etwas bedeckt gehalten, er hat gesagt, im Grundsatz keine doppelte Staatsangehörigkeit, aber...
Er hat das Wort doppelte Staatsangehörigkeit noch nicht einmal erwähnt und die einzige positive Formulierung lautete, daß die bestehenden Einbürgerungsmöglichkeiten derart geändert werden sollten, daß sie von hier geborenen Türken besser genutzt werden können.
Er denkt daran, daß jene, die hier geboren wurden, gleich auf Antrag der Eltern die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten sollen, mit der Auflage, daß sie sich mit 18 oder 21 Jahren entscheiden müssen.
Und wieso sagt er kein Wort zur doppelten Staatsbürgerschaft?
Hier ist augenscheinlich der Willensbildungsprozeß in der Bundesregierung noch in vollem Gange. Er hat wohl erst an die doppelte Staatsbürgerschaft auf Zeit gedacht, dann hat es aus dem Innenministerium Signale gegeben, daß das große Schwierigkeiten gäbe...
Also kein Rückzieher?
Nein. Interview: Julia Albrecht
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen