: Karlsruhe hält der Regierung Stöckchen hin
■ Somalia-Einsatz läuft weiter / Bundestag wird die Mission absegnen
Bonn (taz) – Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts kann die Bundesregierung die Somalia-Mission der Bundeswehr wie geplant fortsetzen. Der erneute Bundestagsbeschluß, den die Richter der Regierung zur Auflage gemacht hatten, soll nach dem Willen der Koalition bereits am Freitag nächster Woche durchgebracht werden.
Gestern brachten die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP einen Antrag in das Parlament ein, in dem der Entsendungsbeschluß der Bundesregierung „in vollem Umfang“ gebilligt wird. Am 3. Juli will Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) mit der Verschiffung des Materials für das 1.700 Mann starke Hauptkontingent der Bundeswehr beginnen, das am 19. Juli nach Somalia abreisen soll. Das Verfassungsgericht hatte am Mittwoch abend den Antrag der SPD auf einstweilige Anordnung gegen die Somalia-Mission zwar angenommen, jedoch keinen Stopp des Bundeswehreinsatzes verfügt. Die Richter verlangten lediglich, daß der Bundestag in einer sogenannten „konstitutiven“ Entscheidung darüber befinden müsse, ob die Bundesrepublik weitere Soldaten nach Somalia entsenden dürfe. Die Frage, ob der Einsatz vom Grundgesetz gedeckt ist, ließ das Gericht bis zur Entscheidung in der Hauptsache offen.
In ersten Reaktionen hatten sich zunächst sowohl SPD-Fraktionschef Hans- Ulrich Klose wie auch die Vertreter der Bundesregierung zufrieden über das Urteil gezeigt. Klose sprach von einem „Sieg für das Parlament“. Das Gericht habe ausdrücklich bekräftigt, daß es kein Recht der Regierung gebe, in eigener Kompetenz über die Entsendung von Soldaten zu entscheiden. Für FDP-Außenminister Klaus Kinkel lag die Gerichtsentscheidung „voll auf der Linie der Koalition“. Der Außenminister setzte sich erneut für eine Verfassungsänderung ein, um künftige Bundeswehreinsätze auf eine sichere Grundlage zu stellen. Nötig sei „eine rasche Klärung, die uns Normalität bringt“. Die Gerichtsentscheidung sei „ein Wink mit dem Zaunpfahl“,, meinte Kinkel, daß das Parlament über die künftige Rolle der Bundeswehr entscheiden müsse.
Die Bundestagsdebatte über den Koalitionsantrag nutzten vor allem die Unionspolitiker zu erneuten Attacken auf die Opposition. Wer der Bundesregierung eine Militarisierung der Außenpolitik vorwefe, betreibe „geistige Umweltverschmutzung“, polemisierter Verteidigungsminister Rühe. Der Auftrag der Bundeswehr in Somalia sei „tief moralisch“.
Ähnlich äußerte sich CDU/CSU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble. Er meinte, „wenn wir diesen Beitrag verweigern, machen wir uns schuldig“. Der starke Mann der Kohl-Regierung forderte die SPD auf, ihren „verantwortungslosen Vorwurf“ zurückzunehmen, die Koalition habe die Verfassung gebrochen.
Bis zur Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache werde die SPD diesen Vorwurf nicht wiederholen, versicherte ihr parlamentarischer Geschäftsführer Günther Verheugen. Er bekräftigte gleichzeitig, daß die SPD bei ihrem Nein zu Kampfaufträgen der Bundeswehr außerhalb des Nato-Auftrages bleibe. Die Grünen warfen der SPD vor, sie sei nach ihrer Klage „nicht bereit“, als Opposition zu handeln.
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