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Auf Rollen zum Korb

Die Leichtathletik-Olympiasiegerin Marianne Buggenhagen spielt bei der Rollstuhl-Basketball-Europameisterschaft im deutschen Team  ■ Von Holger Gertz

Berlin (taz) – Es ist diese seltsame Mischung aus Unwissenheit, anbiederischer Bewunderung und süßlichem Mitleid, die Marianne Buggenhagen immer wieder wütend werden läßt. Da ist zum Beispiel dieser Journalist bei ihr gewesen und hat sie nach ihren sportlichen Aktivitäten befragt. Marianne Buggenhagen hat erzählt, daß sie auch schwimmt, und er hat allen Ernstes von ihr wissen wollen, ob denn dabei der Rollstuhl nicht roste. Oder neulich, eine Reporterin. Mal angenommen, sie könnte ihren Rollstuhl einmal verlassen, fragte die, „treiben Sie dann auch wieder Leistungssport?“

Diese Frage, treiben Sie dann wieder Leistungssport? Als ob das, was sie jetzt macht, nichts wäre, eine Spielerei vielleicht, eine therapeutische Maßnahme. Marianne Buggenhagen aus Berlin-Buch, geboren 1953, war 19 Jahre alt und Leistungssportlerin mit Ambitionen, als sie an der Bandscheibe operiert wurde. Der Eingriff mißlang, sie mußte sich damit abfinden, ihre Beine nie wieder bewegen zu können. Querschnittslähmung. Jahre hat es gedauert, bis sie den Schock überwunden hat, jahrelang hat sie nicht mal einen Arztkittel sehen können, ohne daß ihr übel wurde. Schließlich war es geschafft, mit Hilfe von Psychologen und guten Freunden (einer von ihnen ist inzwischen ihr Mann): Marianne Buggenhagen kehrte zurück ins Leben, ließ sich zur Krankenschwester ausbilden und begann, im Rollstuhl zu trainieren. Ihre körperlichen Voraussetzungen – sie ist 1,90 Meter groß – sind gut, bald gewann sie die DDR- Meisterschaften im Tischtennis, im Basketball, in verschiedenen Disziplinen der Leichtathletik.

Nicht daß sie ein besonders ungeduldiger Mensch wäre, Gott bewahre; sie weiß, daß es mühsam ist, den Behindertensport im Bewußtsein der Nichtbehinderten zu verankern. Aber trotzdem, man müsse doch sehen, sagt sie, daß man solche Resultate, wie sie sie erbringt, nicht so einfach nebenher schafft. Das ist Leistungssport, und wenn jemand vom Fernsehen kommt und sie ins Gesundheitsmagazin Praxis verfrachten will statt in die Sportschau, wird sie wütend. Und dann trainiert sie weiter, obwohl nach der Vereinigung vieles schwerer geworden ist. Reise- und Unterbringungskosten muß sie zu großen Teilen selbst tragen, früher ist das übernommen worden. Dafür darf sie jetzt ungehindert ins Ausland, zum Beispiel zu den Paralympics in Barcelona im vergangenen Jahr, wo sie, wie sie sagt, für „alles entschädigt worden ist, für den ganzen Frust, den Ärger und die Quälerei“.

In ihrem Krankenhaus hatte sie ein halbes Jahr Dauerdienst geschoben, um danach ein halbes Jahr trainieren zu können, und dann hat sie die Goldmedaillen abgeräumt, mit der Kugel, mit dem Diskus, mit dem Speer und im Fünfkampf; manchmal jubelten 60.000 Leute im Stadion. Von der Atmosphäre träumt sie immer noch und davon, daß sie auch '96 in Atlanta noch dabei ist und möglichst auch noch vier Jahre später, obwohl sie dann schon auf die Fünfzig zuginge, „aber mit gutem Training kann ich es schaffen, keine Frage“.

Immerhin, langsam geht es voran mit der Anerkennung der anderen. Als eine Berliner Zeitung die Sportler des Jahres 1992 wählen ließ, ist Marianne Buggenhagen nur von Franziska van Almsick geschlagen worden. Im April hat sie in Washington den Victory Awards bekommen, eine Auszeichnung, die das Nationale Rehabilitationskrankenhaus in Washington jährlich an Menschen vergibt, die trotz ihrer Behinderung Herausragendes geleistet haben. Marianne Buggenhagen war die erste Nichtamerikanerin, die den Preis erhielt. Ruhen läßt sie das nicht. Man dürfe, sagt sie, nie aufhören, sich neue Herausforderungen zu suchen, sonst gerate man schnell in Vergessenheit, mitsamt der Sache, für die man sich einsetzt.

Ab morgen wird Marianne Buggenhagen mit dem deutschen Rollstuhl-Basketball-Team um die Europameisterschaft streiten. Wenn sie mal müde sei während eines Spiels, sagt Karin Leybold, 22jährige Flügelspielerin aus München, dann werde sie kurz nach hinten schauen, zur Mannschaftskollegin aus Berlin. „Wenn du Marianne siehst, weißt du, daß es weitergeht.“

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