Kistenweise Stasi-Akten für die RAF-Fahndung

■ Die Bundesanwaltschaft wertete bereits 1990 ihr zugeleitete Akten der Hauptabteilung Terrorabwehr des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR aus

Der Vorgang verstieß eigentlich gegen das noch geltende DDR- Recht: Peter-Michael Diestel, letzter Innenminister der DDR, ließ im Frühjahr 1990, nur wenige Monate nach der Wende, gleich kistenweise Akten des Ministeriums für Staatssicherheit in den Westen schaffen. Damit gelangte die Karlsruher Bundesanwaltschaft auch in den Besitz der Unterlagen aus der Hauptabteilung XXII, die zu Erich Mielkes Zeiten für die Bekämpfung des Terrorismus zuständig war. Akten der Staatssicherheit gelangten auch über andere Wege in die Hände der bundesdeutschen Nachrichtendienste und damit zur Auswertung an das Bundeskriminalamt und die Bundesanwaltschaft. Überläufer der Stasi und „befreundete ausländische Dienste“ waren die Lieferanten. Akten wurden aber auch, wie das Bonner Innenministerium dem Innenausschuß des Bundestages am 19. Juni 1991 mitteilte, über „bundesdeutsche Publikationsorgane“ dem Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz zugeleitet.

Gegen Stasi-Minister Erich Mielke, seinen Stellvertreter Neiber und andere Mitarbeiter der Stasi-Hauptabteilung leitete die Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Unterstützung der RAF ein – nur wenige Wochen zuvor waren die RAF-Aussteiger in der DDR enttarnt und verhaftet worden. Im Rahmen dieses Verfahrens ließ der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof am 28. August 1990 weitere Akten der Stasi beschlagnahmen, fünf Monate später stellte wiederum das Bundeskriminalamt an den damaligen Sonderbeauftragten für die Stasi-Unterlagen Anträge auf die Herausgabe operativer Vorgänge, die über terroristische Gruppen angelegt wurden – darunter auch „operative Personenkontrollen“ von Mitgliedern der RAF und des RAF-Umfeldes. Als Fazit zog das Innenministerium Mitte 1991: „Für eine Zusammenarbeit zwischen MfS und RAF enthalten die Akten keine ausreichenden Beweise. Sie belegen jedoch enge Kontakte und kommen deshalb als Beweismittel in Kraft.“

Mitarbeiter des Verfassungsschutzes bezweifeln auch die Darstellung der Bild-Zeitung, wonach Hinweise aus den Stasi-Akten die Spur zu den RAF-Mitgliedern Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld gewiesen haben könnten, und daß sich beide unter falscher Identität in die DDR abgesetzt hätten. Unwarscheinlich sei, daß sich RAF-Aussteiger, die sich in die DDR zurückgezogen hätten, wieder bewaffnen würden. Ebenso unwarscheinlich sei auch der Umkehrschluß, die DDR-Behörden hätten bewaffnete RAF unter ihrer Obhut geduldet. Wolfgang Gast