: Sind 100 Jahre Film genug?
■ Unter jedem Dach ein „Ach!“ (2): das Medienzentrum Walle
Filmriß!? Im April noch hatte das Bremer Filmbüro vertrauensvoll in die nahe Zukunft blicken wollen: Mehr und vor allem vielversprechendere Anträge als je zuvor waren zur Ausschreibung der Bremer Filmförderung eingegangen. Zudem konnte das Filmbüro das Doppelte an Förder-Geldern für Filmproduktionen vergeben, insgesamt 250.000 Mark. Das ist noch keine drei Monate her, oder wäre es besser, schon zu sagen? Beides trifft zu.
Knapp ein Vierteljahr später straft der Sparrundumschlag im Bremer Kulturhaushalt die Zuversicht Lügen. Es muß gekürzt werden im nächsten Jahr. Zum anderen warten die geförderten FilmerInnen heute noch auf das ihnen im April zugesagte Geld, weil davon von der Kulturbehörde bislang nichts ausbezahlt wurde.Filmbüro-Mitarbeiterin Anja Telsche: „Wir sind momentan pleite.“
Vogel im goldenen Käfig!? Erst im Februar diesen Jahres war das Filmbüro Bremen e.V. in das neue Medienzentrum Walle an der Waller Heerstraße eingezogen. Zusammen mit dem Kommunalkino Kino 46, der Filmwerkstatt, der Video-Gruppe WieDeo, dem Medien-Studio Null Satt für SchülerInnen und dem Fotostudio der Volkshochschule. Alle waren zuvor in ganz Bremen verstreut gewesen, und hatten sich schließlich auf Initiative eines 1989 neugegründeten Trägervereins unter dem Dach des Medienzentrums vereint. Der wirre Bremer Kulturhaushalt irritiert nun alle gleichermaßen, da sie dort als die gemeinschaftliche Einrichtung „Medienzentrum Walle“ tituliert und also pauschal von Querelen und Sparmaßnahmen betroffen sind.
1 Million statt den beantragten notwendigen 1,4 Millionen hat die Deputation dem Haus bewilligt — und das Sternchen für zusätzliche Einsparungen angefügt. „Da wird ganz klar noch einiges wegfallen“, Roland Mayer vom Filmbüro- Vorstand macht sich da nichts vor. Wenn die Bremer Filmförderung beschnitten werden sollte, ist aber auch das Filmbüro ernsthaft existentiell bedroht. Die Geförderten nutzen Geräte und Räume im Medienzentrum und bringen so wiederum Einnahmen. Und auch WieDeo profitiert indirekt von der Förderung, da viele (Nachwuchs- )FilmerInnen dort mitarbeiten. Roland Meyer: „Unsere Situation wäre gerade jetzt so gefestigt, daß wir einträglich arbeiten könnten. Wenn die FilmemacherInnen hier keine Plattform finden, gehen sie in andere Städte; wir müssen wirklich die Frage nach einer Bremer Filmkultur stellen. Wird sie nun gewollt oder nicht?“
Auch das Kommunalkino hat immer mehr Schwierigkeiten mit dem eigenen Selbstverständnis. Mit 19 Jahren ist es eines der ältesten in ganz Deutschland und hat im Medienzentrum erstmals ein eigenes Kino zur Verfügung. „Jetzt bekommen wir ständig gesagt, wir sollen uns um einen kommerziellen Betreiber umsehen, um mehr zu erwirtschaften. Sind wir denn überhaupt noch ein kommunales Kino?“
Christine Rüffert ist mitverantwortlich für Programmplanung und Geschäftsführung und will nicht die Erfolge der letzten Jahre plötzlich zum Scherbenhaufen zusammenbrechen sehen. Ihr Kollege Karl-Heinz-Schmid kann da nur zustimmen: „Eine gute filmkulturelle Arbeit wird gar nicht mehr möglich sein. Wir können unseren Standard mit anspruchsvollen Themen, guten RegisseurInnen, der Frauennacht, der beliebten Leckerbissen und auch unsere Zusammenarbeit mit der Hochschule, den Museen und anderen Einrichtungen in Bremen dann nicht aufrechterhalten.“
Sind 100 Jahre Film genug? Erst vor einigen Tagen saßen die Gruppen des Medienzentrum Walle zusammen, um für den Herbst ein großes Fest für das Filmjubiläum zu planen. Die Kulturbehörde hat es mit initiiert, hat aber leider kein Geld mehr für Zuschüsse. Christine Rüffert: „Vor diesem ganzen Desaster ist das schon etwas zynisch.“ Silvia Plahl
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