: Die Buchstaben-Schreiner
■ Preisgekrönte Bremer TypografInnen auf dem Weg zu neuem Design
„Sprache purzelt ja nicht in rechteckiger Form aus dem Mund“, sagt Eckard Jung. Richtig: Mal fließt der Wortschwall, mal tröpfelt es nur traurig. Jedenfalls ist Sprache ein eher flatterhaftes Wesen, und so ziehen Typografen wie Prof. Jung den Flattersatz dem handelsüblichen Blocksatz vor. Und mit ihm viele seiner HfK-StudentInnen. Solch luftiges Layout ist freilich nur einer der vielen Bausteine, an denen die Bremer basteln, auf dem Weg zu einem neuen Design-Verständnis. Sowas wird belohnt: Ein wahrer Regen von Auszeichnungen und lobenden Erwähnungen ging jetzt auf die Bremer SchriftgestalterInnen hernieder.
Das Buch „Zimmermann meets Spiekermann“ von Ulysses Voelker zählt heuer gar zu den „Schönsten Büchern aus aller Welt“. So beschloß es die Stiftung Buchkunst in Leipzig. Der Gegenstand des schönen Bändchens? Die Typografie selbst, bzw. die visuelle Sprache des in Fachkreisen geschätzten Designers Erik Spiekermann. Typo über Typo also.
Mehr Durchblick
durchs Buchdesign
Die Kriterien der Stiftungs-Jury sind bekanntlich ziemlich unergründlich, zumindest recht differenziert. Vom Papiergewicht bis zur Ausprägung der Serifen wird eigentlich alles säuberlich benotet. Was den JurorInnen an Voelkers Buch in jedem Fall gefiel, war die wortwörtliche Transparenz der Gestaltung: Voelker ließ sein Buch auf hauchfeinem Japan-Papier drucken, so daß die grafischen Elemente auf den Vorder-und Rückseiten einander durchdringen, ergänzen, erklären. So kriegt der Leser den nötigen Durchblick durchs Design.
Dieser Kunstgriff allein macht natürlich noch kein „schönstes Buch“. Voelkers Arbeit ist das Ergebnis einer aufwendigen und recht präzisen Handschriften- Analyse: Zehn bis 20 namhafte Gestalter werden von den TeilnehmerInnen an Jungs Projekt „Visuelle Sprache“ untersucht. Nicht, um modische Trends nachzuahmen. Sondern um verbindliche Qualitäten guter Gestaltung herauszulesen.
Ein Schneider
für die Schönschrift
Heuer kauften die Kunden zwar schon Typografen ein „wie früher einen Schneider“, sagt Jung. Der gute Markenname allein aber garantiert noch keinen guten Satz. Von der Sprache ganz zu schweigen. Und so suchen die Bremer nach einem erweiterten Typogra
Ulysses VoelkerFoto: Jörg Oberheide
fie-Begriff, der die alten Gütezeichen mit der Neuen Technik verbindet.
An Voelkers preisbekränztem Buch ist dieser Anspruch deutlich abzulesen. Das luftig gestrickte Layout trifft sich mit einem robusten Äußeren. Der derbe graue Zwirn, in den das schöne Buch gewandet ist, stellt zugleich eine Reminiszenz an Voelkers Handwerker-Vergangenheit dar: Bevor er sich an den Bildschirmen der HfK an feinen und feinsten Linien zu schnippeln begann, sägte er veritable Holzbanken, als Zimmermanns-Geselle nämlich.
Das erklärt denn auch die Vorliebe für den Designer Spiekermann. Der, so steht–s nun nachzulesen, baut nämlich gern dicke Balken in seine Layouts ein. Vorzugsweise signalrote. Die beschriftet er dann — irgendwie: Wichtige Anweisungen an den Setzer finden auf den Balken ebenso ihren Platz wie auch quasi-philosophische Bonmots der Marke „Die Welt ist rund und bunt“.
So schön das Büchlein auch geraten ist — Worte der Kritik an Meister Spiekermanns Balken- Manie finden sich eher spärlich. Die „Ehrfurcht vor dem großen Namen“, sagt Voelker, habe ihn als Studenten halt gepackt. Aber es soll ja noch zehn bis zwanzig wei
tere Bücher aus der Bremer Typo- Werkstatt geben.
Auch eines über Eckhard Jung ist dabei. Da könnte die Ehrfurcht der StudentInnen nochmal zum Problem werden. Die künftigen AutorInnen müssen sich jedenfalls am hohen Anspruch des Professors messen lassen: Daß künftige Designer „es nicht nur beim Gruppieren von Texten belassen“ sollen, sondern „das Schreiben selbst“ zu Ihrer Aufgabe machen. Statt „Oberflächen-Verschönerung“: Gestaltung von Schrift-und Bild-Sprache. Möge sie fließen und flattern. tom
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