Frauen gehen zuerst über Bord

Frauenförderung in der konjunkturellen Flaute beschränkt sich heute zumeist auf Familienförderung  ■ Von Margrit Zauner

Noch am Ende der achtziger Jahre waren die Frauen heftig im Kommen. Die Titelblätter der einschlägigen Zeitschriften – die, aus denen die (männlichen) Führungskräfte und die, die es gerne werden wollen, im Minuten-Management- Rhythmus ihr Wissen über das Innenleben der Marktwirtschaft beziehen – zeigten die, die den Lesern für die Zukunft Konkurrenz machen sollten: die Frauen. Die Megatrends waren weiblich; Frauen in den oberen Etagen der Macht sollte die Zukunft gehören: das sagte zumindest der Trendforscher John Nasbitt (wovon er auch heute noch fest überzeugt ist, siehe Buchbesprechung auf Seite 20).

Die Marktforscher hatten eine neue Goldader entdeckt: die Frauen, die im Baumarkt ebenso wie auf dem Wochenmarkt ihre Einkäufe selber tätigen. Und die Personalabteilungen hatten einen neuen Goldfisch-Teich entdeckt: die Frauen, die als die Underdogs und bisher Diskriminierten zunächst auch bereit schienen, die Jobs zu den Bedingungen zu akzeptieren, die aufgeklärte Männer ablehnen.

Die Hamburger Betriebswirtin Sonja Bischoff hat 1986 und 1991 eindrucksvoll nachgewiesen, daß Frauen trotz besserer Qualifikation immer noch weniger Geld für die bessere Leistung bekommen: Managerinnen verdienen bis zu einem Drittel weniger als ihre männlichen Kollegen. Die über zehn Jahre währenden Versuche in den alten Bundesländern, Mädchen durch eine qualifizierte Ausbildung in gewerblich-technischen Berufen neue Aufstiegschancen zu erschließen, haben nach einem Bonmot der Erziehungswissenschaftlerin Ursula Rabe-Kleberg mehr qualifizierte Arbeitsplätze in der wissenschaftlichen Begleitung als in den Industriebetrieben geschaffen. Der vermeintliche Wille, qualifizierte Frauen aus gewerblich-technischen Berufen mit teilweise langjähriger Berufserfahrung, Ingenieurinnen genauso wie Facharbeiterinnen, entsprechend ihrer Qualifikation zu beschäftigen, hat sich spätestens nach der Vereinigung als bloße Wortklauberei entpuppt. Während männliche Facharbeiter und Ingenieure aus der alten DDR zum Teil gute Möglichkeiten auf dem vereinigten Arbeitsmarkt hatten, wurden Ingenieurinnen zu Altenpflegerinnen oder Floristinnen umgeschult, weil sie in ihrem erlernten Beruf „schlechte Vermittlungsaussichten“ hatten.

Die wenigen guten Nachrichten, nach denen große Unternehmen Beispielhaftes zur Frauenförderung versuchten, wurden von den Steinen, die beim Abbau der Mauer anfielen, begraben. Frauenförderung ist heute kein Thema mehr. Dafür wuchsen die Schutzwälle um die gutbezahlten Positionen mit wirtschaftlicher Macht höher; hier sind genauso wenige Frauen zu finden wie vorher.

Nach einer umfassenden Studie der Frankfurter Soziologin Eva Brumlop haben bundesdeutsche Unternehmen vor allem Familienfördermaßnahmen im Repertoire ihrer frauenfördernden Maßnahmen. Im Mittelpunkt ihrer Untersuchung stehen die Möglichkeiten einer auf Fraueninteressen bezogenen gleichberechtigten Verteilung von Erwerbsarbeit, Arbeitszeit und Einkommen. Dazu wurden neben einer umfassenden Bestandsaufnahme der Maßnahmen und Publikationen auch betriebliche Fallstudien in ausgewählten Unternehmen des Industrie- und Dienstleistungsbereichs erstellt. Die Auswertung der zum Teil noch laufenden Fallstudien soll genauere Erkenntnisse über Mechanismen der Implementation und der Barrieren für Frauenfördermaßnahmen erbringen.

Eine umfassendere Untersuchung liegt bisher erst für die Formen der Frauenförderpläne in der BRD vor: Die Zahl der Unternehmen, die Frauenförderung als Programm betrachteten, ist kaum gestiegen; es sind immer noch im wesentlichen Unternehmen aus florierenden „Männerbranchen“. Die Bereiche, in denen vorwiegend Frauen beschäftigt sind, werden kaum berücksichtigt. Dazu zählen kleine und mittlere Unternehmen ebenso wie „Frauenbranchen“, wie die Textilindustrie.

Die Störung des reibungslosen Ablaufs im Unternehmen durch Schwangerschaft und die Betreuung von Kindern und alten Menschen wird heute dadurch kompensiert, daß sich jeweils ein Elternteil (zumeist die Frau) für mehrere Jahre unbezahlt von der Arbeit freistellen lassen kann. Dies aber sind genau die Strukturen, die eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie verhindern. Sie sind – wenn sie letztlich das einzige Angebot für Frauen darstellen – frauendiskriminierend, denn sie reduzieren die Barrieren, denen sich Frauen bei der beruflichen Entwicklung ausgesetzt sehen, auf die Behinderungen durch die (potentielle) Mutterschaft, und ist weder für Frauen, die auf ihr Einkommen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts angewiesen sind, noch für beruflich ambitionierte Frauen eine Möglichkeit, Familie und Beruf zu verbinden; es ist ein Modell für Frauen mit mittlerer Qualifikation und klassischer bürgerlicher Lebensweise.

Die Diskriminierung der Frauen wird besonders in Zeiten der Rezession und des damit verbundenen Personalabbaus verschärft. Sie werden wieder in die industrielle Reservearmee gedrängt, und ein Aufbrechen der patriarchalen Familien- und Erwerbsmuster bleibt aus. Im Interesse aller Frauen können die derzeitigen Fördermaßnahmen allenfalls kurzfristig sein; langfristig an unseren Interessen und Bedürfnissen orientierte Programme müssen viel umfassender die Arbeitswelt und die Gesellschaft verändern: von ausreichenden Betreuungsmöglichkeiten für Kinder jedes Alters über familiengerechte Arbeitszeiten und einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung sind wir nach wie vor weit entfernt.

Margrit Zauner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Koordinierungs- und Beratungszentrum für die Weiterbildung von Frauen (KOBRA) in Berlin und berät Betriebe und Verwaltungen bei der Entwicklung von Frauenförderplänen.