■ Mit reichen Ländern auf du und du
: Das OECD-Orakel

Berlin/Paris (taz/AFP) – Alle Halbjahre wieder veröffentlicht die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) eine neue Wirtschaftsprognose für die Industrieländer.

Seit ungefähr drei Jahren aber ist die jeweils neue Prognose zur bloßen Korrektur der alten verkommen: Wider Erwarten, so wunderten sich die Volkswirte des Beratungsgremiums der Industrieländer auch gestern bei der Vorstellung ihres neuesten Rechenwerks in Paris, ist noch immer kein Wirtschaftsaufschwung in Sicht. Trotzdem glauben die OECD- Propheten weiter daran, daß sich das Wachstum im OECD- Raum Mitte 1993 „allmählich beleben“ dürfte.

Wenig Tröstliches allerdings haben die Experten den abhängig Beschäftigten in den OECD-Ländern (zu denen neben den EG- und Efta-Staaten die USA, Japan, Kanada, Australien, Neuseeland und die Türkei gehören) mitzuteilen. Die Arbeitslosigkeit wird weiter steigen und beispielsweise in Gesamtdeutschland 1994 etwa 11,3 Prozent erreichen.

Im gesamten OECD-Raum erwarten die Experten 1993 ein Wachstum von knapp über einem Prozent bei 36 Millionen Arbeitslosen. Vor sechs Monaten waren noch zwei Prozent Wachstum vorausgesagt worden.

1994 sollen durch Belebung der Investitionen und des Konsums 2,7 Prozent erreicht werden, allerdings mit großen regionalen Unterschieden. Während die USA, Kanada und einige andere Länder auf dem Weg zu einer Konjukturerholung bereits ein gutes Stück vorangekommen seien, „ist die Talsohle in Kontinentaleuropa offenbar noch nicht erreicht“, notiert der Bericht.

Insbesondere die westdeutsche Wirtschaft sei Mitte 1992 in die tiefste Rezession der Nachkriegszeit abgeglitten. Deutschland könne 1993 nicht auf den Exportsektor als Konjunkturlokomotive bauen, denn die Struktur der Auslandsnachfrage werde die deutsche Wirtschaft nicht begünstigen. Zudem habe sich die Wettbewerbsfähigkeit seit 1989 erheblich verschlechtert. Die deutsche Produktion werde 1993 um 1,9 Prozent schrumpfen und 1994 um 1,4 Prozent steigen – aber nur, wenn der Welthandel beträchtlich wachse und die Unternehmer auf die erwarteten Zinssenkungsschritte stark mit Investitionen reagierten.

Weil es den Experten offenbar selber peinlich ist, ihre allzu optimistische Prognosen immer wieder korrigieren zu müssen, verwiesen sie gestern in Paris auf „mehrere große Unsicherheiten“. Es bestehe die Gefahr, daß die Entwicklung ungünstiger verlaufe, melden sie vorsorglich schon mal die nächste Korrektur an. dri