Sanssouci: Vorschlag
■ Alles cool, alles groovy
Wer bleibt, muß fühlen – denken die grienenden Abreisenden – wer hören will, der bleibt, weiß der zurückgelassene Julyist. Denn Jazz in July, das Clubjazz-Festival im Quasimodo, gibt es nur in Berlin: Ein Professor, der trompetet, und eine Putzfrau, zur Königin gekrönt, stehen neben vielen anderen Legenden und Legendiösen auf dem Programm des sechsten Sommerjazzfestivals vor und unter Ort. Das sich zur Aufgabe gemacht hat, bekannte, oft und teils gern gehörte Angebrannte, Aufgebaute und Abräumer aus dem amerikanischen Mainstream zu angeln.
Koko Taylor eröffnet mit ihrer Bluesmaschine am heutigen Abend den zwanzigtägigen Festvalreigen. Aufgewachsen in Memphis, zog sie mit 18 nach Chicagos South Side, um dort für fünf Dollar pro Tag den Scheuerlappen zu wringen. 1964 von Willie Dixon für das legendäre Blues-Label Chess entdeckt, trat sie als mit Grammies gekürte Queen of the Blues die Nachfolge von Bessie Smith an. Quasi-Evergreens wie das Trio des Ausnahme-Saxophonisten David Murray (6.7.) mit den kongenialen Loft-Jazz-Veteranen Fred Hopkins und Andrew Cyrille oder der professorale High-Energy-Trompeter Arturo Sandoval (7./8.7.) mit exiliertem Cuban-bop schließen sich nahtlos an. Der kubanische Pianist Gonzalo Rubalcaba (12.7.) konnte erst jüngst sein New Yorker Live-Debüt geben, nachdem ihm Kritiker in aller Welt bescheinigt hatten, daß er noch besser spiele als die Besten seines Fachs (der einzige Weg auch, das US-Handelsembargo gegen Kuba zu umgehen). Charles Brown (21./22.7.), kalifornischer Hoochie-Coochie-Veteran mit Fernweh, klimpert mit bluesiger Stimme schließlich das Festivalende ein, als dessen ultimativ letzter Act eine Acid Jazz Party (23./24.7.) zum britisch-souligen Schwof angekündigt ist.
Ein solches Programm auch ohne Subventionen zu machen, sei kein Geheimnis, meint Giorgio Carioti, seit achtzehn Jahren Geschäftsführer des Quasimodo. Weil das Quasi einen guten Ruf habe, wollen die Musiker dort spielen, wohl wissend, daß bei 350 Plätzen und Eintrittspreisen zwischen 20 und 30 Mark, keine hohen Gagen einhandelbar sind. Populär soll Jazz in July vor allem sein und groovy – eine dreiwöchige sommerliche Live-Party mit erlauchten Gästen, die anderswo nur durch das Fernglas betrachtbar sind.
Doch fast wäre die die Quasi-Sommerrechnung nicht aufgegangen. Da der Vorjahres-Sponsor Virgin diesmal ebenso ausfällt wie der SFB als Überträger, fehlen allein 30.000 Mark für die Gagen, was bei einem Gesamt-Budget von 200.000 Mark schon empfindlich zu Buche schlägt. Bislang habe man es immer noch geschafft, den Jazz in July-Schuldenberg binnen eines Jahres abzutragen, und über dieses Limit wolle und könne man auch nicht hinaus. Was wäre wenn, ist dann nicht mehr nur eine Frage an das Quasimodo. Ohne Jazz in July würde dem Sommer in Berlin jedenfalls das fehlen, was einen cool bleiben und gelassen zurückgrinsen läßt. Christian Broecking
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