: Ethnische „Säuberung“ auf griechisch
Die Massenausweisungen albanischer Einwanderer aus Griechenland stoßen in der griechischen Öffentlichkeit auf breite Zustimmung / „Zerschlagen Sie die Albaner!“ ■ Aus Athen Takis Gallis
Mehrere hunderttausend AlbanerInnen sollen illegal in Griechenland leben. Die „Besucher“ aus dem Norden sind unbeliebt bis verhaßt. Wer auf sie losschlägt, kann leicht populär werden: Mit der „albanischen Karte“ können Demagogen jeglicher Couleur versuchen Punkte zu machen. In wenigen Monaten sind in Griechenland Parlamentswahlen – höchstwahrscheinlich werden dabei die „nationalen Themen“ wie Makedonien, Zypern, der Balkankonflikt und eben Albanien im Mittelpunkt stehen.
25.000 bis 30.000 Albaner sind im Laufe der letzten zehn Tage mit teils brutalen Methoden aus Griechenland abgeschoben worden. Am Anfang stand die Ausweisung des griechisch-orthodoxen Archimandritenpriesters Chrysostomos Maydonis aus Albanien am 25.Juni – ein Ereignis, das in den griechischen Massenmedien eine wüste Kampagne gegen die Immigranten aus dem Nachbarland auslöste. Das liberale Tagesblatt Ta Nea jubelte: „Es werden hunderttausend ausgewiesen.“ Die regierungsfreundliche Apogevmatini ermunterte Polizisten und Leser: „Zerschlagen Sie die Albaner!“ Und die Nachrichtensendungen der drei staatlichen und der rund zwei Dutzend privaten Fernsehsender waren voll mit Bildbeiträgen, die die Verfolgung und Verhaftung der Ausländer als Safari darstellten.
Positiv wurde auch die Aufforderung des griechischen Polizeichefs Antonis Labadiaris an die Bürger aufgenommen, selber an der „Safari“ teilzunehmen. „Jeder hat das Recht und die Pflicht, Rechtsbrecher festzunehmen“, erklärte er. Widerspruch gab es lediglich von der linksliberalen Zeitung Elefterotypia, die die Kampagne als „geschmacklos“ bezeichnete, und von den Parteien der Linken, der halbstalinistischen KP und der linksreformistischen „Linksunion“ (Synaspismos).
Regierungssprecher Vassilis Maginas erklärte Mitte letzter Woche, die „Säuberungen“ würden bis zur Ausweisung des letzten Wirtschaftsflüchtlings weitergehen. Sollte er recht behalten, hätte Griechenland in der vergangenen Woche die größte europäische Massenverfolgung seit den Deportationen des Hitler- und des Stalinregimes eingeleitet. Zur Legitimation der Abschiebungen verweist Athen auf die „Verträge von Schengen“, denen Griechenland im vergangenen Jahr beitrat und die die Abschiebungen illegaler Immigranten vorsehen.
„Operation Besen“
Doch scheint die „Operation Besen“, wie die Massenabschiebungen offiziell genannt werden, ihren Zenit bereits überschritten zu haben. In den letzten Tagen wurden immer weniger Albaner außer Landes gebracht. Am Donnerstag gab Ministerpräsident Konstantinos Mitsotakis ein Zeichen der Entwarnung, als er bei einer Tischrede zu Ehren des Staatsgastes und russischen Präsidenten Boris Jelzin die Hoffnung auf eine baldige Besserung der Beziehungen zu Albanien äußerte. Die Anzahl der Ausgewiesenen dürfte damit zunächst bei 25.000 bis 30.000 bleiben, was nicht heißen soll, daß weitere „Säuberungen“ in nächster Zukunft ausgeschlossen sind.
Kein Wunder, wenn bei derart rapiden Richtungswechseln Verwirrung über die Linie der konservativen Regierung herrscht. Hatte es zuerst geheißen, mit der Ausweisung der Albaner reagiere Griechenland auf die Ausweisung des orthodoxen Priesters in Albanien, so hört man jetzt, die zwei Sachen hätten nichts miteinander zu tun. Mit den Abschiebungen wolle man bloß einen Zustand beenden, der eine Zumutung für die griechischen Bevölkerung darstellen, so die Vizeaußenministerin Virginia Tsouderou.
Konfusion herrscht auch bei der oppositionellen sozialistischen Pasok-Partei. In der ersten Phase, gleich nach dem Ausbruch der griechisch-albanischen Krise, war es der Abgeordnete Stelios Papathemelis, der den Ton angab. „Die Geiselnahme der Wirtschaftsflüchtlinge ist die absolute Waffe in den Händen Athens“, sagte er, „für jeden ausgewiesenen Griechen müssen wir 5.000 Albaner wegjagen.“
Er forderte, auf Albaner, die die Grenze illegal überqueren, zu schießen. Ganz anders klang freilich die Erklärung, die der Generalsekretär und die Nummer zwei der „Pasok“, Akis Tsochatzopoulos, machte: „Wir betrachten die Maßnahmen der Regierung als rassistisch“, gab er zu Protokoll. Eine Position, die bald wieder unterging, als am Donnerstag die Nummer eins der Pasok, Ex-Regierungschef Andreas Papandreou, die Maßnahmen der Regierung nicht nur als goldrichtig lobte, sondern noch strengere Schritte forderte.
In einem Fernsehbeitrag aus dem Siedlungsgebiet der griechischen Minderheit in Albanien konnte man inzwischen auch an Hausmauern geschmierte Parolen lesen: „Freiheit jetzt“ und „Vereinigung mit Griechenland“. Und man konnte Thomas Kyriakou, Vizepräsident von „Omonia“, der Partei der griechischen Minderheit in Albanien, hören: „Unsere Geduld hat sich erschöpft, jetzt werden wir nach Planstufe zwei handeln – und das bedeutet Autonomie, Ablösung von Albanien und Vereinigung mit dem Mutterland.“
Mag sein, daß der Stufenplan tatsächlich in den Schubladen von „Omonia“ liegt und daß er sogar mit einigen Kreisen in Athen und Thessaloniki abgesprochen ist. Der „Anschluß“ von „Nord-Epirus“, wie Süd-Albanien in Griechenland genannt wird, ist allerdings nicht die offizielle Politik Athens. Angesichts der instabilen Lage in der Region wollen sich weder Griechenlands Regierung noch die Opposition auf solch ungewisse Abenteuer einlassen.
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