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„Egal was wir machen, es ist immer zu wenig“

■ Gespräch mit Helga Trüpel über die Ausländerintegration in Bremen in Zeiten leerer Kassen / „Zum Großteil Krisenmanagement“

Helga Trüpel (Die Grünen) ist seit anderthalb Jahren Senatorin für Kultur und Ausländerintergration.

taz: Was hat sich durch Ihr Ressort verändert im Vergleich zur früheren Arbeit durch die „Zentralstelle zur Integration von Zugewanderten“?

Helga Trüpel: Diese Fragen haben dadurch — politisch gewollt — eine Aufwertung erfahren. Wegen der allgemeinen Finanzverhältnisse war es damals aber nicht möglich, dieses Ressort auch im Ausländerbereich so zu erweitern, wie es wünschenswert gewesen wäre, also neue Leute, insbesondere AusländerInnen, einzustellen. Wir haben lediglich eine Stelle wiederbesetzt mit einer Ausländerin. Gemessen am Amt für multikulturelle Angelegenheiten in Frankfurt, das unter ganz anderen Bedingungen anfangen konnte, war es von Anfang an schwierig, daß unsere Mitarbeiter nicht mit einem richtigen Impuls einsteigen konnten. Aber anders war es nicht möglich. Wir haben aber jetzt mehr Möglichkeiten als früher, was Öffentlichkeitsarbeit und politische Stellungnahmen angeht.

Hat es durch den Ressortzuschnitt mehr Geld für Integrationsprojekte gegeben?

Aufgrund der „Trüpel-Millionen“ hatten wir in den vergangenen zwei Jahren mehr Geld für Ausländerkultur- und Migrationsarbeit insgesamt. In Großwohnanlagen (wie in der Grohner Düne, Tenever, Huchting) gab es Projekte, wo Deutsche und Migranten sich begegnen konnten, um gleichzeitig neue ästhetische Erfahrungen zu machen — insbesondere für Kinder und Jugendliche. Und dies gerade in den Stadtteilen, wo Menschen zunehmend isoliert sind und sich immer mehr auf sich selbst zurückziehen. In der Grohner Düne verlassen manche Frauen die Gebäude gar nicht mehr, noch nicht einmal mehr zum Einkaufen. Insofern sind solche Projekte direkt vor Ort ein politisches Signal, wovon die Menschen auch etwas haben, und zwar auch eine interkulturelle Erfahrung.

Haben AusländerInnen in Bremen Sie als Lobbyistin entdeckt?

Egal was wir machen, es ist immer zu wenig. Aus der Sicht von Betroffenen ist das auch verständlich. Wir haben aber auch eine Art Service- und „Notrufsäulen-Funktion“, in der Ressortleitung wie in der Ausländerintegrationsabteilung. Es melden sich permanent Leute wegen Abschiebungsproblemen, oder wegen Wohnungsproblemen, wegen Übersetzungshilfe, wegen Arbeitsplatzproblemen. Es wenden sich aber auch ausländische Vereine an uns, die Räume suchen oder politische Unterstützung wollen.

Wie groß ist denn die Abteilung?

In der ganzen Ausländerabteilung gibt es ganze siebeneinhalb Stellen, drei Fachleute, und dann Sachbearbeiterinnen und Sekretärinnen. Das ist ziemlich wenig. Und Kompetenzen z.B. bei der Wohnungssuche haben wir nicht. Wir können nur mit Ideen und Vorschlägen auf andere Ressorts einwirken. Wir arbeiten deshalb mit den Ausländerreferenten der anderen Ressorts intensiv zusammen, aber da gibt es doch sehr unterschiedliche Politikvorstellungen, was eine multikulturelle Gesellschaft sein soll.

Ist eine Senatorin für Ausländerintegration nicht vor allem Krisenmanagerin?

Zum Großteil ist es sicher nur das: eine Krisenfunktion. Vielleicht muß man die Rollen noch einmal unterscheiden. Die Ausländerbeauftragte ist natürlich weniger in Senatsentscheidungen und — disziplin eingebunden als ich, gerade wenn es um Abschiebeprobleme geht.

Als Ressort mischen wir uns dagegen bei allem ein, was auf das innenpolitische Klima einwirken soll. Da ist man machtpolitisch allerdings eingeschränkt.

Wir haben Einmischung auf zwei Ebenen versucht: Wir haben Vorschläge zu einer besseren Zuwanderungspolitik gemacht. Grüne und SPD hätten diese ganze hysterische Debatte um die Änderung des Artikels 16 mit der vehementen Forderung nach einem Einwanderungsgesetz kombinieren müssen. Das hätte innen- wie außenpolitisch Sinn gemacht. Damit man auf Migration aus wirtschaftlichen Gründen endlich eine angemessene Antwort findet. Alle Menschen in ein Asylverfahren zu zwingen, weil es keine andere legale Möglichkeit gibt, das muß ja Probleme schaffen. Daß bis heute hierfür keine angemessene Antwort gefunden wurde, ist ein fataler politischer Fehler, auch der Grünen. Und für Bürgerkriegsflüchtlinge, die ja wieder zurückwollen, müßte man auch angemessene Gesetze schaffen. Dann hätte man das Asylrecht auch nicht ändern müssen. Obwohl das nicht alle Probleme löst, wären wir aber doch einen Schritt weiter.

Wir setzen uns selbstverständlich auch für die doppelte Staatsbürgerschaft ein. Das ist eine adäquate Antwort auf die Seelenlage dieser Migranten, die noch in ihren Heimatländern verwurzelt sind und sich trotzdem entscheiden haben, hier zu bleiben. Daß dies so schwer durchzusetzen ist, ist fatal.

Und auf der anderen Ebene: Ab Sommer wird es einen Info- Bus geben, gesponsert von der Landesbank. Der wird durch die Stadtteile fahren, um vor Ort die Menschen anzusprechen. Denn Rassismus ist ja ein Problem der Deutschen, wie sie mit den Migranten umgehen. Es war eine große Bastelei, ohne Haushaltstitel diese Möglichkeit zu finden. Und erfreulicherweise gibt es Firmen und Leute, die dies aus Interesse machen.

Mit welchen Informationen wird dieser Bus in die Stadtteile fahren?

Mit Informationsmaterial über Flucht-Ursachen: Warum kommen Menschen her, wie schwierig und dramatisch sind Lebensverhältnisse in anderen Ländern dieser Erde? Migration ist immer Ausdruck einer Notlage, ob nun wirtschaftlich oder politisch.

Wir müssen uns auch mit der subjektiven Wahrnehmung von Deutschen auseinandersetzen, die sich immer weiter an den Rand gedrängt fühlen. Deren wahnhafte Vorstellung, Ausländern ginge es immer besser, ist zwar Quatsch, aber wenn man ihnen ständig nur vermittelt, daß sie Spinner sind, erreicht man sie nicht mehr. Wir merken ja gerade bei den Jugendlichen, daß sich das immer mehr radikalisieren je weniger wir sie politisch erreichen.

In dieser Situation, in der wir uns in Deutschland in diesem Irrgarten der Emotionen befinden, ist es ungeheuer wichtig, Aufklärungsarbeit zu leisten, aber auch die Menschen emotional zu erreichen — wie etwa über künstlerische Mittel. Da ist unser Ressort eine ungeheure Chance. Fragen: Birgitt Rambalski

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