Straßensperre und Zaun für Ausländer

■ Anwohner eines Marzahner Flüchtlingswohnheims fühlen sich gestört / Sie fordern Sperrung des direkten Zugangs

AusländerInnen sollen nicht mehr durch die Lindenstraße in Marzahn gehen und fahren dürfen. Denn die Anwohner der zehn Häuser in der Lindenstraße fühlen sich durch Lärm und Dreck gestört, der von ausländischen Heimbewohnern auf einem Gelände der ehemaligen NVA am Ende der Straße verursacht werden soll. In zwei Kasernen und vier ständigen Häusern wohnen derzeit rund 700 Asylsuchende und Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien, Rumänien, ebenso wie Menschen aus Fernost. Insgesamt sind es 22 Nationen.

In einem Gespräch am 16. Juni mit Vertretern der Kirche, dem Bezirksbürgermeister Andreas Röhl (SPD) und Horst Renner, Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt Wedding und Verantwortlicher für das Wohnheim in Biesdorf, forderten die Anwohner, daß die Lindenstraße zur Sackgasse erklärt und ein zwei Meter hoher Zaun errichtet wird. Die BewohnerInnen des Wohnheims müßten dann eine parallele Straße vorbei an einem Gewerbehof benutzen. Dabei müßten sie für den Weg von der U-Bahn bis zum Wohnheim einen kleinen Umweg in Kauf nehmen.

„Der Vorschlag ist zwar nicht der beste, aber gut genug, um Schlimmeres zu verhindern“, bestätigte auch die Heimleiterin Brigitte Klein gegenüber der taz. Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) erklärte, daß nicht von einer Sperrung, sondern von einer Entlastung die Rede sei. Dies könne unnötige Spannungen zwischen Anwohnern und Asylbewerbern vermeiden.

Der ausländerpolitische Sprecher der FDP, Thomas Seerig, forderte die Ablösung des Marzahner Bezirksbürgermeisters. Die Überlegungen seien nach den Geschehnissen von Mölln und Solingen ungeheuerlich. Er verglich die Situation mit südafrikanischen Verhältnissen.

Unter den Anwohnern ist indes die Empörung weiterhin groß. Sie trauten sich schon nicht mehr, ihre Häuser unabgeschlossen zu lassen, sagte Roswitha Köhn gestern der taz. Weitere Ärgernisse seien die Autos der Ausländer. Teilweise sollen sie aus drei alten Wagen einen neuen zusammenbauen, so Frau Köhn. „Außerdem reparieren sie ihre Autos auch am Sonntagnachmittag“, empörte sich Christel G., die seit 14 Jahren in der Lindenstraße wohnt. „Wir haben uns nicht getraut zu verreisen, weil wir unser Haus nicht alleinlassen wollen.“

„Ich war überrascht und schockiert, als im Mai das erste Mal Stimmen laut wurden, daß sich die Anwohner belästigt fühlten“, so die Heimleiterin Brigitte Klein. Sie berichtete von zwei jugendlichen Heimbewohnern, die von einer Frau in der Lindenstraße mit „Scheiß Ausländer“ beschimpft worden seien. Dabei waren die beiden Jugendlichen gerade damit beschäftigt, Müll in der Straße wegzuräumen. Dazu hatten sie nach dem Vorfall jedoch keine Lust mehr. Um die Atmosphäre wieder zu verbessern, will die Heimleiterin die Anwohner einladen. Ein Termin stehe aber noch nicht fest. Die Anwohner stehen einem solchen Termin jedoch skeptisch gegenüber. Zu einem möglichen Treffen im Wohnheim erklärte Christel G.: „Ich weiß nicht, ob wir da hingehen würden.“

Der Meinung ist auch Roswitha Köhn. Es gebe keinen Anwohner, bei dem nicht etwas geklaut worden sei oder bei dem nicht Kirschzweige abgebrochen wurden. Sie und ihr Mann hätten inzwischen an jeder Tür ein Brotmesser liegen. Außerdem habe sich das Ehepaar eine Pistole gekauft. Mittlerweile sei jeder Nachbar bereit, zuzuschlagen. „Und wenn der Senat nicht endlich reagiert, organisieren wir eine Straßen- und Bürgerwehr.“ Empört sind die Leute aus der Lindenstraße, daß sie als Nazischweine beschimpft werden. „Wir sind nicht ausländerfeindlich“, bekräftigt Christel G. Aber sie wollen, daß sich „die Ausländer benehmen wie Menschen. Als die Armee noch hier stationiert war, da herrschte noch Zucht und Ordnung.“ Susanne Landwehr