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Makedonien nach der Unabhängigkeit

■ Wirtschaftliche Chancen bestehen durch hohes Bildungsniveau und Rohstoffvorkommen

Stefan Troebst war zwischen Oktober 1992 und Februar 1993 als Vertreter der Bundesregierung KSZE-Beobachter in Makedonien. Das Land hatte sich vor anderthalb Jahren vom ehemaligen Jugoslawien unabhängig erklärt.

taz: Welche wirtschaftlichen Chancen hat Makedonien im Vergleich zu anderen Republiken Ex- Jugoslawiens?

Troebst: Makedoniens größtes Guthaben ist das hohe Bildungsniveau. Die generellen Ausgangsbedingungen für eine wirtschaftliche Erholung sind in Makedonien wesentlich besser als etwa in Albanien oder in Bulgarien. Es gibt riesige Rohstoffvorkommen, vor allem Blei und Eisennickel. Dann den Agrarsektor, wobei der Tabakanbau besonders lukrativ ist. Dänemark zum Beispiel kauft seine Tabake nur in Makedonien. Auch der Weinanbau könnte sehr profitabel werden, allerdings fehlt dazu noch die notwendige Technologie. Derzeit gibt es keine Fabrik, die die Flaschen herstellen könnte. Dasselbe gilt für die Etikettenproduktion. Da sind tausend Details, die man bräuchte. Und selbst wenn die vorhanden wären, ist noch lange nicht die ständige Rohstoffzufuhr garantiert. Würde man aber die Sachen im Ausland herstellen, würde der Wein wahnsinnig teuer werden.

Sind denn die mineralischen Rohstoffe auf dem internationalen Markt gefragt?

Das im Nordosten abgebaute Bleierz hat eine hohe Konzentration und ist ein ganz hochwertiges, nachgefragtes Produkt. Das Problem liegt in der Verhüttung. Früher hat die Verhüttung in Serbien stattgefunden, das geht jetzt aber nicht mehr wegen des Embargos. Bei Verhüttung im Ausland, etwa in Sizilien, gibt es Transportprobleme. Das Erz etwa in Bulgarien zu verhütten wäre zu teuer. Im Endeffekt wäre es billiger, das Bergwerk zu schließen. Allerdings sind ganze Regionen von ihnen abhängig, so daß dann soziale Konflikte vorprogrammiert wären. Die Arbeitslosigkeit ist so schon sehr hoch, gerade auch unter den jungen, gut qualifizierten Leuten. Das monatliche Einkommen eines Arbeiters ist von durchschnittlich 900 Dollar auf 100 Dollar gesunken. Bei gleichbleibenden Preisen.

Gibt es Interesse von ausländischen Investoren an makedonischen Betrieben?

Ja, aber solange Makedonien nicht international anerkannt ist, wird sich kein ausländischer Investor trauen, dort einen Betrieb zu kaufen. Aber es gibt schon einige Joint-venture Unternehmungen, zum Beispiel in der Modebranche. Makedonien hat sehr große Textilbetriebe und gut ausgebildete Näherinnen. Einige Modehäuser lassen ihre Kollektionen in Makedonien herstellen. Da werden dann LKWs mit dem ganzen benötigten Zeug runtergefahren, bis zum letzten Knopf und Faden. Trotz der Transportkosten scheint sich das angesichts der niedrigen Löhne immer noch zu rentieren.

Inwieweit hat das Ölembargo Griechenlands seine Auswirkungen auf die makedonische Wirtschaft gehabt?

Schwer zu sagen. Das Ganze hatte ja eher einen psychologischen Effekt: je mehr über eine mögliche Ölknappheit geredet wurde, um so mehr kauften die Leute Öl auf Vorrat. Das führte natürlich dazu, daß das Öl wirklich knapp wurde, obwohl das unter normalen Umständen gar nicht hätte so sein müssen.

Die EG hat im Dezember 1992 Makedonien einen Kredit von 120 Millionen Ecu für den wirtschaftlichen Aufbau versprochen. Was soll mit diesem Geld passieren?

Makedonien hat einen Plan zum Ausbau des innermakedonischen Eisenbahnnetzes. Ein Teil der Linien sind nach dem Bruch zwischen Tito und Stalin nicht mehr zu Ende gebaut worden. Die wenigen Lücken könnte man mit relativ geringen Mitteln schließen und damit die Infrastruktur ganz enorm verbessern. Also das ideale Kreditvorhaben. Allerdings sind von den versprochenen 120 Millionen Ecu bisher nur 10 Millionen ins Land geflossen. Wenn das in dem Tempo weitergeht, dann kommt der letzte Ecu am Sankt-Nimmerleins-Tag.

Das Interview führte

Miriam Kreibich

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