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■ Ab heute wieder: Heimatklänge im Tempodrom

Baaba Maal Foto: Adrian Boot

Es muß am Haken liegen: Bisher hat die Industrie noch kaum einen Fisch aus dem Netz der Weltmusik an Land gezogen. Zum Beispiel Afrika: Die Geschäfte werden im Abseits der Majorfirmen gemacht. Als selbstproduzierte Kassette verkaufte sich das Debüt von Oumou Sangare in ihrer Heimat über 200.000mal.

Aber auch mit diesen Mitteln bleibt der Popstar in Afrika die Ausnahme, ein Hit wie „Yéké Yéké“ wandelt nicht die Welt, und nur Apartheid gibt es inzwischen auch jenseits der Grenzen Südafrikas. Angesichts der verschärften Asylhandhabung und vor sich hin schwelender Ausländerfeindlichkeit hat das sechste Festival am Tempodrom deutlicher als bisher von seiner tiergärtlich-lauschigen Idyllik Abstand genommen und die Flagge für angewandte Vielvölkerei gehißt: „No Make Palaver“ winkt das Motto nonchalant mit dem Zaunpfahl aus dem Hause Piranha.

Dabei ist erstaunlicherweise gerade das Drumherum des Programms in diesem Jahr gewaltig angewachsen. Als wäre der weltmusikalisch durchmusizierte Sommer willkommener Anlaß für ein mediales Spiel mit Aufzeichnungs- und Übertragungsmaschinen, wird anhand der Bands exemplarisch das westafrikanische Kulturleben von Musik und Tradition bis in den Alltag hinein festzuhalten versucht. Die Jugendradios B2 und Fritz übertragen ausgewogen miteinander konkurrierend je einen Abend Konzerte, Gruppenportraits und Interviews aus dem Tempodrom, und vom 25. bis zum 29. August wird das Bild von Afrika mit einer Werkschau des in Dakar lebenden senegalesischen Filmemachers Ousmane Sembéne ergänzt. Darüber hinaus steht bei mehreren Workshops unter der Leitung des Trommelfieber-Spezialisten Abdourahmane Diop für Tanzwagemutige die „Alphabetisierung des Körpers“ an, wobei die Basics in Sachen Ritus und Ausdrucksform erlernt werden können.

Außerdem übt sich eine Gruppe von Musikstudenten der Humboldt-Uni poptechnisch in volksmusikalischer Feldforschung, diverse Berliner Filmemacher werden den Heimatklänge-Artisten zwecks Produktion von Videoclips zu Leibe rücken, und jeden Donnerstag gibt es ab Mitternacht appetenzhebenden „Heimatklänge Dancefloor“ im Globus, der GoGo-Etage des ehemaligen Technoclubs Tresor. Nichts, was der Kommunikation dienen könnte, bleibt unversucht. Sogar der Minister of Nightlife würde gegenüber der multivisionären Cross-Culture- Utopie Borkowsky Akbars, des künstlerischen Leiters der Heimatklänge, die Segel streichen.

Doch anders als der plattenauflegende Fluppen-Animateur will die Party-Apparatur der Piranha-Leute nicht mit ihren Gästen konkurrieren. Das Augenmerk richtet sich allein auf die MusikerInnen, die dieses Jahr stärker als bisher über den kulturellen Einzelimport hinaus im gesamteuropäischen Netzwerk zum Tragen kommen: Das Acid-, Jazz- und HipHop-Fanzine Straight No Chaser widmete im vorigen Winter seine Titelstory der Sängerin Oumou Sangare aus Mali, die mittlerweile tanzflächenkonkurrierend bis zu 2.500 Fans in die Londoner Clubs lockt. Der ghanaesische Gitarrist Eric Agyeman war mit seiner Fusion aus funkigen Afrobeats und traditionellen Melodien bereits in den siebziger Jahren am High-Life-Boom in seinem Land beteiligt und plaziert sich heute mit Re-Issues in den europäischen Charts; und bei der seit 1969 bestehenden elfköpfigen Mandingo-Rock-Band „Super Rail Band Of The Buffet Hôtel De La Gare De Bamako“ hatten zur gleichen Zeit spätere Weltmusikstars wie Salif Keita oder Mory Kante angefangen.

Als Opener des Afrobeat-Reigens hat man allerdings dem Nachwuchs den Vortritt gelassen. Der senegalesische Wolof- Sänger Baaba Maal und seine Band Daande Lenol gelten als Vertreter eines neuen Bewußtseins, das sich längst vom Kolonialismus gelöst hat. „Europäische“ Technologie als frei verfügbarer Ideenpool: Die Elektronik von Synthesizern und Rhythmusmaschinen ist ein ebenso selbstverständlicher Teil der Musik geworden wie der traditionelle Impuls in Bodennähe zum afrikanischen Groove. „Afrika muß so sein wie die anderen Kontinente auch. Wir sollten uns also das Beste aus früheren Zeiten aufbewahren, aber gleichzeitig der Welt das neue Gesicht von Afrika zeigen“, hatte Baaba Maal in einem Interview zur Lage der afrikanischen Pop-Nation den Umbruch zusammengefaßt. Jetzt bleiben ihm fünf Tage im Tempodrom, um den entsprechenden Soundtrack nachzureichen. Harald Fricke

Heute bis Samstag, jeweils 21.30 Uhr im Tempodrom, John-Foster-Dulles-Allee, Tiergarten; Sonntag nachmittag ab 16 Uhr

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