Kahlschlag auf leisen Sohlen

Tory-Hinterbänkler und Gewerkschaftler protestieren, die britische Regierung hält an ihren Stillegungsplänen für die Kohlegruben fest  ■ Von Ralf Sotscheck

London (taz) – Die Torys wollen die britische Bergbauindustrie vor dem Bankrott retten, indem sie die Bergwerke dichtmachen, bevor sie pleite gehen können. Mußte die Regierung Ende vergangenen Jahres aufgrund von Massendemonstrationen und Revolten der eigenen Hinterbänkler den geplanten Kahlschlag in der Kohleindustrie etwas abmildern, so versucht sie es inzwischen auf leiseren Sohlen. Ursprünglich sollten 31 Bergwerke geschlossen und mehr als 30.000 Kumpel auf die Straße gesetzt werden. Der Kompromiß im Januar sah immerhin vor, wenigstens 18 Zechen eine dreijährige Galgenfrist zu gewähren. Diese Atempause sollte die Kohleindustrie nutzen, um sich einen Marktanteil zu sichern. In der Gesetzesvorlage vom März war dann nur noch von zwölf Bergwerken die Rede. Die übrigen 19 sind im letzten Vierteljahr bereits geschlossen worden. Die Regierung sicherte sich die Unterstützung ihrer Hinterbänkler, indem sie Zuschüsse für die zwölf überlebenden Zechen versprach. Über die Höhe der Subventionen hüllte man sich freilich bis heute in Schweigen.

Und nun geht es auch sechs der „geretteten“ Bergwerke an den Kragen. Silverdale in Staffordshire hat bereits Mitte Juni die Produktion eingestellt, Markham in Derbyshire hat 300 Leute entlassen, und die Kumpel in Rufford in Nottinghamshire haben mit knapper Mehrheit den Vorschlag angenommen, die erhöhten Abfindungen anzunehmen und die Zeche zum Jahresende zu schließen.

Das letzte Wort ist in diesem Fall jedoch noch nicht gesprochen. Das Votum war von der rechten Bergarbeiter-Gewerkschaft „Union of Democratic Mineworkers“ durchgeboxt worden, doch die Minderheit von Arthur Scargills NUM-Gewerkschaft hat bereits angekündigt, gegen die Stillegung Widerstand zu leisten. Die Zechen Frickley und Kiveton in Süd-Yorkshire und Bilsthorpe in Nottinghamshire sind ebenfalls von der Schließung bedroht.

Industrieminister Michael Heseltine bemerkte vor kurzem höhnisch: „Es gibt dort draußen in der realen Welt einen Wettbewerb um Marktanteile im Energiesektor, und Kohle ist leider nicht wettbewerbsfähig.“ Sein Staatssekretär Tim Eggar fügte beschwichtigend hinzu, er sei davon überzeugt, daß der Markt für Kohle noch ausbaufähig sei.

Wie er sich das vorstellt, verriet er jedoch nicht. Wahrscheinlicher ist, daß die britische Regierung wieder tiefer in die Kohlekrise rutscht, je näher der April rückt: Ab dann fällt nämlich der Anteil der Kohle, den die Stromindustrie kauft, um zehn Millionen Tonnen im Jahr – bis auf insgesamt 30 Millionen Tonnen. Im vergangenen Jahr betrug die Menge noch mehr als das Doppelte.

Der Industrieminister im Labour-Schattenkabinett, Robin Cook, und der Chef der größten Einzelgewerkschaft TGWU, Bill Morris, riefen die Bevölkerung auf, die „Kumpel wie im vergangenen Oktober zu unterstützen und zu Hunderttausenden auf die Straße“ zu gehen. Noch beunruhigender für John Major und sein Kabinett sind die Töne von den Hinterbänken: Zahlreiche „Tory- Rebellen“ erklärten, daß sie im März nie und nimmer für die Gesetzesvorlage gestimmt hätten, wenn sie geahnt hätten, was die Minister tatsächlich planten. Ralf Sotscheck