: Auf dem Gipfel der Tatenlosigkeit
Umwelt- und Dritte-Welt-Gruppen aus aller Welt fordern von den sieben reichsten Industrienationen die Umsetzung eigener Beschlüsse und eine Reform der Weltbank ■ Aus Tokio Donata Riedel
Bloß nichts erwarten, lautet die Losung der sieben reichsten Industrieländer für den diesjährigen Weltwirtschaftsgipfel. So überzeugend versicherten sich die Regierungschefs der USA, Japans, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens und Kanadas gegenseitig ihrer Machtlosigkeit, daß sich gestern weit weniger Journalisten als in den Vorjahren in den Gipfel-Pressezentren einfanden.
Daß die G 7 trotzdem viel Gutes tun könnten, diese Meinung vertraten gestern ausgerechnet ihre härtesten Gegner. Vertreter von 80 Umwelt- und Dritte-Welt- Gruppen, den sogenannten Non- Governmental-Organizations (NGO), erinnerten in einem ausführlichen Brief an die „Lieben G-7-Führungskräfte“, daß „die Sieben“ sehr wohl die Weltwirtschaft verändern könnten – zum Nutzen der Umwelt und der Menschen in den Entwicklungsländern. Gerade die Tatsache, daß der Weltwirtschaftsgipfel vor allem ein gigantisches Medienereignis ist, möchten die NGOs ausnutzen. Von den Tausenden Journalisten fand allerdings nur ein Dutzend den Weg aus dem vollklimatisierten Pressezentrum im Hotal Otani über die Straße in das ebenso elegante Akasaka-Cokyu-Hotel.
Viel wäre schon geholfen, sagte dort Bruce Rich vom Inveromental Defence Sund (IDS) aus den USA, wenn die G 7 ihre eigenen Beschlüsse umsetzen würden. Seit 1989, so auch Mamatha Gowda von der US-Umweltgruppe Sierra Club, legten „die Sieben“ Bekenntnisse zum Umweltschutz ab, zuletzt auf dem Münchener Gipfel vor einem Jahr, ohne daß Taten gefolgt wären. Auch die Entwicklungspolitik der Weltbank könnten die G 7 bestimmen – schließlich verfügten sie gemeinsam über 50 Prozent der Anteile. Aber mit Ausnahme der USA und Deutschland stimmten fünf G-7-Mitglieder einem 400-Millionen-Dollar-Kredit an die Staatliche Indische Elektrizitätsgesellschaft (NTCP) zu, die damit neun große Kohlekraftwerke bauen will. Das würde den Kohlendioxidausstoß Indiens und der Entwicklungsländer insgesamt erheblich vergrößern. Nach einer EDF-Studie wären umweltfreundlichere Alternativen zugleich billiger gewesen.
Als vordringlich fordern die NGOs darum von den G 7, die Weltbank und ihre Tochtergesellschaften, über die der größte Teil der Entwicklungshilfe des Nordens an den Süden vergeben wird, unter Umweltgesichtspunkten zu reformieren und ihnen offenere Informationspolitik zu verordnen.
Neben weiteren Vorschlägen zur Klimapolitik erinnern die NGOs an die alten Vorschläge des britischen Premiers John Major von 1988 zur Schuldenreduzierung für die ärmsten Länder der Welt, die man erstens anwenden und zweitens zugunsten der Entwicklungsländer ausweiten könnte. Die Schuldenkrise sei zwar aus Sicht des Nordens gelöst, weil die Banken die Verbindlichkeiten abgeschrieben haben. Der Süden jedoch würde weiterhin unter den Schulden leiden. Nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWS) haben die Länder der Dritten Welt 1992 zusammen 170 Milliarden US-Dollar für Zins und Tilgung an das Ausland überwiesen, 31 Prozent der afrikanischen und 35 Prozent der lateinamerikanischen Exporterlöse wurden dadurch aufgefressen.
Die NGOs fordern darum von den G 7, sich für eine komplette Schuldenstreichung für die ärmsten Länder einzusetzen und den übrigen Entwicklungsländern die Hälfte ihrer Schulden zu erlassen. In Osteuropa könnten sich die G 7 für einen umweltfreundlichen Wirtschaftsumbau einsetzen und die Gefahr weiterer Atomexplosionen durch konsequentes Drängen auf Abschalten der AKW mindern. In den Entwicklungsländern sollten sie mit Familienplanungs- und Bildungsprogrammen das Bevölkerungswachstum verlangsamen helfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen