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Vom Durchbruch weiter entfernt denn je

■ Ausgerechnet die G-7-Regierungen, auf deren Initiative die Gatt-Runden begonnen wurden, sabotieren deren Abschluß

Auch für Gipfel-Absichtserklärungen gilt offenbar die Regel, daß aller guten Dinge drei seien. Den Regierungschefs der sieben reichsten Industrieländer erscheint eine vierte Wiederholung ihrer Statements zum „freien Welthandel“ selbst so peinlich, daß sie alle bereits einen Tag vor dem Beginn des Weltwirtschaftsgipfels anreisten, um am Freitag mehr verkünden zu können als den obligatorischen „Abschluß der Gatt-Verhandlungen noch in diesem Jahr“.

Jenseits dieses Lippenbekenntnisses sabotieren nämlich ausgerechnet die G-7-Regierungen, auf deren Initiative die Marathonverhandlungen über eine Liberalisierung des Welthandels 1986 in Uruguay begonnen wurden, heute deren erfolgreichen Abschluß. Gleichzeitig setzte sich gestern in Tokio der Alternativgipfel der Umwelt- und Dritte-Welt-Gruppen, der einst vehement gegen die „Gattastrophe“ auftrat, erstmals genauso geschlossen für einen Gatt-Abschluß ein.

Der Grund für den Tausch der Positionen ist letztlich für beide Seiten derselbe: Die Länder der „Dritten Welt“, die noch in den 80er Jahren keine Chance hatten, ihre Waren auf dem Weltmarkt erfolgreich verkaufen zu können, sind nunmehr auf manchen Gebieten zu Konkurrenten für die Industrieländer geworden. Gerade, wenn's ums Essen und Trinken geht, haben Bauern aus der EG, den USA und Japan das Nachsehen auf dem Weltmarkt — pardon: Sie hätten einen Nachteil, wenn diese reichen Länder nicht mit Zollschranken und Mengenbegrenzungen ihre Grenzen für landwirtschaftliche Erzeugnisse dichtmachten. Und genau das würde ein Handelsabkommen, das gleiche Regeln weltweit für alle vorsieht, künftig verbieten.

Ähnliche Probleme haben die Industrieländer mit den osteuropäischen Ländern im Agrar-, Stahl- und Textilbereich. Hinzu kommt, daß sich die reichsten Länder der Welt nicht einmal über den Handel untereinander einigen können, wie die gestern hastig in Tokio anberaumten Sitzungen unter immer wechselnden Partnern zeigten. So wollte die US-Regierung durchsetzen, daß Japan seinen Handelsüberschuß (das ist der Wert, um den ein Land mehr exportiert als importiert) von heute drei Prozent des Bruttosozialprodukts auf ein bis zwei Prozent senkt (s. oben) – ohne Erfolg.

Handfeste Nachteile für die „Dritte Welt“

Sodann stritt sich die um EG und Kanada erweiterte Runde darüber, welcher der Staaten denn nun wieviel seines Bedarfs bei der „öffentlichen Beschaffung“ im Ausland kauft, und wenn ja, wo. Sodann mäkelten die EG-Vertreter, daß der japanische Staat dreimal soviel Geld in den USA ausgibt wie in Europa – wo doch sonst die europäischen Güter von den Japanern viel mehr geschätzt würden als die US-amerikanischen.

Weil die Japaner es daraufhin wohl leid waren, als die größten Protektionisten gebrandmarkt zu werden, ließ gestern abend ein höherer Beamter Zahlen im Pressezentrum kursieren. Nach japanischen Berechnungen würde Japan 13,2 Prozent seines öffentlichen Bedarfs im Ausland kaufen, die USA immerhin 11,9 Prozent, aber die EG lediglich 1,8 Prozent. Demnach, wenn die Rechnung so stimmt, hätte es die EG verdient, benachteiligt zu werden.

Von dem vielbeschworenen „Durchbruch bei den Gatt-Verhandlungen“ sind die USA, Japan und die EG also weiter entfernt denn je. Was aber als kleinliches Gezänk manch einen im reichen Westen amüsieren mag, führt in der Dritten Welt zu handfesten Nachteilen.

Allein das Welt-Textilabkommen, das bis zu einem Gatt- Abschluß die Textilproduzenten des Nordens vor südlicher und östlicher Billigkonkurrenz schützt, kostet die armen Länder 13 Milliarden US-Dollar jährlich. Unfaire Handelspraktiken kosteten den Süden im vergangenen Jahr 60 Milliarden US-Dollar.

Allerdings hätten nicht alle Entwicklungsländer Vorteile von einem neuen Gatt-Abkommen. So müßten etwa jene 68 Länder des afrikanisch-karibisch-pazifischen Raums (AKP-Staaten) Nachteile hinnehmen, weil das Gatt automatisch das Lome-Abkommen mit der EG ablösen würde. Dieses Abkommen aus dem Jahr 1989 räumt den AKP-Staaten wichtige Handelsbegünstigungen gerade auf dem Agrarsektor ein.

Ein Gatt-Abkommen würde sicher andererseits im Norden Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und im Textilbereich kosten. Allerdings wird der Reichtum des Nordens nicht auf dem Feld, sondern in der Industrie erwirtschaftet. Und die erhofft sich vom Gatt bessere Marktchancen. Auf diesem Gipfel wird die Industrie des Nordens vermutlich wieder genauso abgespeist wie die Bauern des Südens – mit dem „erfolgreichen Abschluß der Gatt-Verhandlungen noch in diesem Jahr“, zum vierten Mal am Freitag nachmittag. Donata Riedel, Tokio

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