: 1.000 rechtsradikale Skins und keine Polizei
■ Nach dem Skinheadtreffen schieben Brandenburgs Innenminister Ziel und Polizeipräsident Schwerin die Schuld auf „mangelnde Sensibilität der Einsatzleiter“
Potsdam (taz) – Nach viereinhalbstündiger Dringlichkeitssitzung wußten die Mitglieder des brandenburgischen Innenausschusses endlich, wer schuld sein soll an dem Skinheadkonzert, daß am 19. Juni in Prieros ganz ungestört von der Polizei stattgefunden hat. Innenminister Alwin Ziel (SPD) schon mal nicht, auch nicht Polizeipräsident Detlef von Schwerin. Alles sei ganz alleine die Schuld des unfähigen Potsdamer Einsatzleiters vor Ort, und des ortsansässigen Schutzbereichsleiters aus Königs Wusterhausen. Beurlaubt sind sie zwar noch nicht, aber sie müssen mit Disziplinarmaßnahmen rechnen. Die beiden seien, so Ziel, „erheblich zu unsensibel“ gewesen und deshalb „zu einer katastrophal falschen Lageeinschätzung“ gekommen. Doch wie sensibel muß man sein, um fast 1.000 Skinheads anreisen zu sehen, teilweise in SS-Uniformen, „Heil- Hitler“ rufend und Hakenkreuzfahnen schwingend? „Das ist eben der menschliche Faktor“, sagt Polizeichef von Schwerin.
Tatsächlich war der menschliche Faktor in Form des Einsatzleiters am 19. Juni um 14.30 Uhr uniformiert auf dem Veranstaltungsgelände erschienen und habe den Besitzer, den Bürgermeister von Gussow, Wolfgang Wendland, zur Rede gestellt. Der band ihm den Bären auf, das dies die Geburtstagsfete seines Sohnes sei, und die zu diesem Zeitpunkt 250 anwesenden Skinheads dessen artige Freunde. Von verfassungsfeindlichen Liedern war nichts zu hören, so zog der Polizist ab und entschwand gen Potsdam. Der Königs Wusterhausener Schutzbereichsleiter war ebenfalls unsensibel und reagierte nicht auf die Bürgeranrufe, die sich über Naziparolen beschwerten. 186 Bereitschaftspolizisten warteten vergeblich. Nur zu den Autonomen, die sich am benachbarten Zeesener Schloß gegen einen Angriff rüsteten, wurde eine Einheit gesandt, und zu einem illegalen Autorennen. Dabei hatte die Potsdamer Polizei genügend Zeit gehabt, eine Gegenstrategie zu entwickeln: Bereits am 21. Mai erfuhren sie von der Dortmunder Polizei von dem geplanten Skinheadkonzert, mit Datum und der Ortsangabe Königs Wusterhausen, einschließlich des Hinweises, daß die Teilnehmer für gewalttätige, verfassungsfeindliche Ausschreitungen bekannt sind. Der brandenburgische Verfassungsschutz bestätigte dies am 11.6. und konnte 30 Stunden vor Konzertbeginn den genauen Ort nennen. Von Maßnahmen, die sich gegen Teilnehmer der Veranstaltung oder gegen Gastgeber Wendland richten, konnte Ziel nichts Konkretes berichten. Nur eins weiß er ganz genau: „Rechte haben in Brandenburg keine Chance.“ Michaela Schießl
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