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Nachschlag

■ INTERLIT 3 – Auftakt im Literarischen Colloquium

Daß eine Begegnung von Dichtern aus unterschiedlichen Kontinenten eine Bezeichnung braucht, steht zweifelsfrei fest. Aus den, diesmal in Berlin stattfindenden, 3. Internationalen Literaturtagen ein lieblos-technokratisches INTERLIT 3 zu bauen, spricht allerdings wieder einmal für die Blockwartsseelen hiesiger Kulturverweser. Der verantwortliche Herr vom umtriebigen Haus der Kulturen der Welt ist dazu nicht zu zählen. In einer einfühlsamen, gänzlich floskelfreien (und kurzen) Rede eröffnete er im Literarischen Colloquium den Auftakt zur diesjährigen Veranstaltungsreihe, die unter dem Titel „Neue Metropolen“ steht.

Eingeladen waren Niyi Osundare aus Ibadan/Nigeria, Muhamed Haji Salleh aus Kuala Lumpur/Malaysia sowie Edgardo Sanabria Santaliz aus San Juan/Puerto Rico. „Ich bin vom Drang besessen, die Welt zu berühren, ich bin eine Schlingpflanze auf der Suche nach Licht“, hieß es in einem der stark rhythmischen Langgedichte Niyi Osundares. Völlig ungewohnt und faszinierend, wie sich sein Vortrag in Stimmhebung, Klang und Tempo der Bedeutung der Vokabeln anpaßte, um in Sprechgesangseinlagen in der Yoruba-Sprache zu münden. Das war keine folkloristische showtime, sondern eine sinnlich ansprechende Lektion darüber, wie sich Lust an der Benennung ihren eigenen Sprach- und Darstellungskosmos schafft. Für den europäischen Zuhörer ein verblüffendes „Kunststück“: noch für den Schmerz, die tiefste Erniedrigung, schöne, treffende Bilder finden, ohne verlogen zu poetisieren und harmonisieren. Für alle drei Autoren schien der Gegensatz zwischen Stadt und Land als augenfälligste Schnittlinie zwischen Tradition und Moderne das wichtigste Thema ihrer literarischen Produktion zu bilden, das immer neue Spannungen provoziert.

Wurde bei dem Puertoricaner Sanabria Santaliz der Unterschied zwischen städtischen und ländlichen Lebenswelten in der Kurzprosa eher pointiert und bissig dargestellt, so überwog bei dem malaysischen Autor eher die kräftige Assoziation, die Dorfmetaphorik, die in seiner Großstadtlyrik zu einem explosiven Gemisch wurde. Altvertraut und doch neuartig, diese Anklage gegenüber der seelenlosen Stadt, ihrem stampfenden Rhythmus, der den einzelnen niederwalzt. Nichts wäre wohl angesichts solcher Erfahrungen törichter, als in der Pose postmoderner Gelassenheit auf divergierende urbane Lebenswelten hinzuweisen, wo die alten Polaritäten verschwinden: Kuala Lumpur hat nichts gemein mit den bürgerlichen und alternativen Idyllen Charlottenburgs oder Kreuzbergs. Der Riß geht tiefer, gerade der brave Beilagentext bestätigt es: „Seine Lyrik ist der Versuch, ausgewählte Werte der kollektiv orientierten malaiischen Gesellschaft in einer Synthese zu bringen mit den individualistischen Tendenzen von heute.“ Die Gralshüter Totalität heischender Traditionen würden solche „Vermittlung ausgewählter Werte“ sicherlich mit Mißtrauen betrachten. Haji Salleh stellte sich dieser Spannung, und man darf gespannt sein, was die kommenden Veranstaltungen an weiteren Entdeckungen bringen werden. Marko Martin

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