Kein „Versöhnungsgesäusel“

Die Rätseleien im Fall des Tathergangs von Bad Kleinen gehen weiter / V-Mann „Klaus“ interessiert nun nicht nur im Fall Bad Kleinen, sondern auch im Zusammenhang mit Weiterstadt  ■ Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) – Der ominöse V-Mann „Klaus“ des rheinland- pfälzischen Verfassungsschutzes wird möglicherweise nicht nur einem Staatsanwalt Rede und Anwalt stehen müssen. Den V-Mann, der die Fahndungsbehörde auf die Spur der beiden RAF-Mitglieder Grams und Hogefeld brachte und nach Zeitungsberichten in die USA gebracht worden sein soll, will nicht nur der Vorsitzende des Innenausschusses, Bernrath, zur Vernehmung zitieren lassen. Der hessische Untersuchungsausschuß, der den Sprengstoffanschlag der RAF auf den gerade fertiggestellten Gefängnisneubau in Weiterstadt am 27. März aufklären soll, hat ebenso ein Interesse an der Person „Klaus“ bekundet. Nachdem in den Medien mehrfach kolportiert wurde, daß V-Mann „Klaus“ möglicherweise auch am Weiterstädter Anschlag beteiligt gewesen sein könnte, kündigten Grüne und FDP an, entsprechende Beweisanträge für den Untersuchungsausschuß zu stellen. Welche Rolle der Informant beim Debakel in Bad Kleinen am Sonntag vor zwei Wochen gespielt hat, bleibt weiterhin offen.

Bisher verweigern aber die beteiligten Behörden aus Geheimhaltungsgründen jede Angabe zu dem V-Mann. Massive Vorwürfe mußte sich dafür Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger gefallen lassen, die am Montag vor dem Innen- und Rechtsausschuß jede Auskunft zur „Vorphase“ der geplanten Festnahmeaktion verweigerte. Auskunft gab sie allerdings der im Anschluß tagenden Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK), deren Mitglieder einer strengen Schweigepflicht unterliegen. PKK-Mitglied Burkhard Hirsch (FDP) erklärte nach der Sitzung nur, die Justizministerin habe alle Fragen beantwortet, auch die, die sich auf die Vorgeschichte des Polizeieinsatzes bezogen. Das eiserne Schweigen der Behörden und Ministerien um die Person des V-Mannes verblüfft auch deshalb, weil es lediglich einer Erklärung des inhaftierten RAF-Mitgliedes Birgit Hogefeld bedarf, um den V-Mann „Klaus“ zu enttarnen. Hogefeld und Grams hatten sich vor der Schießerei mit „Klaus“ getroffen – der Informant, bei dem es sich nach verschiedenen Meldungen um einen Unterstützer oder sogar um ein sogenanntes Kommandomitglied der RAF handeln soll, wurde bei der Festnahme Hogefelds offenbar zum Schein mit überwältigt. Daß der Verlauf der Aktion in Bad Kleinen lange vorbereitet wurde, wird durch die spärlichen Angaben der Justizministerin bestätigt. Danach wurde bereits am 13. Mai bei einem Treffen der Koordinierungsgruppe Terrorismus-Bekämpfung festgelegt, daß der Ablauf einer Festnahme in den Aufgabenbereich der Polizei falle. Sechs Wochen vor der Schießerei in Bad Kleinen müssen die Mitglieder der KGT demnach über konkrete Hinweise zu Grams oder Hogefeld verfügt haben.

Die Bild-Zeitung wartete gestern mit einer neuen Version des Hergangs in Bad Kleinen auf. Das Landeskriminalamt in Mecklenburg-Vorpommern hätte die tödliche Kugel nun aufgefunden. Die Ermittler würden jetzt davon ausgehen, Grams sei von drei Polizeikugeln getroffen zusammengebrochen und hätte sich anschließend selbst in die Schläfe geschossen. Gegen diese Version spricht zum einen das postwendende Dementi der Staatanwaltschaft in Schwerin, zum anderen die Tatsache, daß BKA-Chef Zachert vor dem Innen- und Rechtsausschuß einen zweiten „Nahschuß“ in den Bauch von Grams bestätigte. Widersprüchlich blieb gestern weiter, wer welche Videos auf wessen Veranlassung am Tatort aufzeichnete und wie deren Existenz bekannt wurde. Eine Klarheit stellte dagegen der CSU-Generalsekretär Erwin Huber her: Die am Wochenende von Außenminister Kinkel und Justizministerin Leutheusser wieder ins Spiel gebrachte „Kinkel-Initiative“ nannte er schlicht ein „völlig falsches Signal“. Im Kampf gegen den Terrorismus zähle nicht „Versöhnungsgesäusel“, sondern Härte.