: EG entscheidet gegen Milchmaschinen
Kommission will Rinderwachstumshormon BST in den nächsten sieben Jahren nicht zulassen / Milchsee, Benachteiligung von Kleinbauern und VerbraucherInnenproteste als Begründung ■ Von Annette Jensen
Berlin (taz) – Gestern war ein guter Tag für die Kühe. Die EG- Kommission in Brüssel beschloß, daß für sieben weitere Jahre die Zulassung des gentechnisch hergestellten Präparats BST ausgesetzt werden soll. Jetzt müssen nur noch die Agrarminister der Zwölfer- Gemeinschaft einer Verlängerung des Ende 1993 auslaufenden Moratoriums zustimmen. Schon vor zwei Wochen hatte der US-Senat mit nur einer Stimme Mehrheit die Verlängerung des Zulassungsstopps um 15 Monate entschieden. In Australien ist BST inzwischen endgültig abgelehnt.
BST ist ein Rinderwachstumshormon, dessen Zulassung in Europa die Pharmahersteller Monsanto und Eli Lilly, beides Töchter von US-Konzernen, beantragt hatten. Zwischen sechs und 20 Prozent mehr Milch sollen BST-traktierte Kühe geben, doch die „Nebenwirkungen und Risiken“ für die Tiere sind immens: Viele haben Fruchtbarkeitsstörungen. „Durch den physischen Streß verringert sich ihre Lebenserwartung auf weniger als fünf Jahre“, sagt die Europaabgeordnete Hiltrud Breyer, die sich massiv gegen die Zulassung des Präparats eingesetzt hatte.
Eine Untersuchung aus den USA belegt außerdem, daß 50 bis 65 Prozent der mit BST behandelten Kühe an Mastritis, einer Euterentzündung, leiden. Die wird im allgemeinen mit Antibiotika behandelt, so daß die Milch damit angereichert wird – was bei den KonsumentInnen oft zu allergischen Reaktionen führt. „BST ist ein Mittel, das gesunden Kühen verabreicht wird, zu Krankheiten führt und auch noch als Medikament bezeichnet wird“, empört sich die Abgeordnete Hiltrud Breyer.
Die Entscheidung der EG- Kommission kommt durchaus überraschend, denn sowohl der Tierarzneimittelausschuß als auch die Bioethik-Arbeitsgruppe hatten positive Stellungnahmen abgegeben. Als Beurteilungsgrundlage nahmen sie allerdings eine Gruppe von Versuchskühen, die in superhygienischen Ställen lebten und somit relativ wenig Gesundheitsprobleme hatten. Die EG-Kommissionare kamen zu der Einsicht, daß derartige Bedingungen im Normalbetrieb nicht zu gewährleisten seien.
Aber auch in Anbetracht des EG-Milchsees erschien ihnen BST als sinnlos. Zwar würden produktivere Kühe nichts an den Quoten ändern; wohl aber wäre durch Rationalisierungsmaßnahmen im Kuhstall ein deutlicher Strukturwandel zu befürchten. Es gäbe vermutlich die „Tendenz, daß kleinere Hersteller abgedrängt würden“, schreibt die Kommission. Da Kleinbauern aber vor allem in weniger begünstigten Regionen arbeiten, wo es kaum Alternativen zur Milchproduktion gäbe, würde die Konzentration im Agrarbereich noch zunehmen.
Der Protest vieler VerbraucherInnen erschien der EG ebenfalls als ein wichtiges, auch ökonomisches Argument. Der Konsum von Milch und Rindfleisch werde bei einer Zulassung von BST enorm absacken, prognostizierte die Kommission. Auch Bauern, die das Wachstumshormon nicht verwenden würden, hätten darunter zu leiden – das Mittel ist nämlich in der Milch nicht nachzuweisen. Eine Kennzeichnungspflicht wäre also sinnlos, da man sie nicht überprüfen könnte.
In verschiedenen Schwellenländern, darunter Mexiko und einige GUS-Staaten, und auch in mehreren afrikanischen Ländern ist BST aber inzwischen auf dem Markt. Das in den 80er Jahren entwickelte Produkt treibt dort viele Bauern in die Abhängigkeit von den vier US- Pharmafirmen, die BST produzieren. Bauern aus Mexiko berichten, daß im Laufe der Zeit immer höhere Dosen des Präparats notwendig seien. „Am Anfang haben die Konzerne BST häufig kostenlos verteilt“, hat Breyer recherchiert. Nach einer Weile müßten die Bauern die teure Chemie aber natürlich bezahlen.
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