■ Zur neuen Flüchtlingspolitik der USA
: Zeiten des Kleingelds

Jahrzehntelang gab es in den USA faktisch keine Flüchtlingspolitik. Die Gewährung politischen Asyls war nichts als eine der vielen Spielfelder der Politik des Kalten Krieges. Politisch verfolgt war, wer aus einer kommunistischen Diktatur kam – mochte die nun Sowjetunion oder Kuba heißen. Wer sich aus „autoritären Regimen“ wie El Salvador oder Haiti flüchtete, tat besser daran, unbemerkt an der imposanten Dame mit der Fackel vorbeizuschleichen.

Der Clinton-Administration war es vorbehalten, im Zeichen des Wandels – auf englisch: change – endlich eine Asylpolitik zu formulieren. Im Wahlkampf war noch viel von Menschenwürde und Respekt vor internationalen Verträgen zum Schutz von Flüchtlingen die Rede, nach dem Wahlsieg lautete die Hausaufgabe für die Administration etwas anders: Wie baut man einen möglichst undurchlässigen Kordon um die USA? Bei dieser Gelegenheit erwies sich als vorteilhaft, daß change im Englischen nicht nur Wandel, sondern auch Kleingeld heißt. Seit drei Jahren zahlt Washington jährlich 350.000 Dollar „Unkostenpauschale“ an die mexikanische Regierung für die Deportation von Immigranten und Flüchtlingen, die aus Drittländern via Mexiko versucht haben, in die USA einzureisen – eine Absprache, die der Funktion entspricht, die Polen und die Tschechische Republik für die Bundesrepublik erfüllen.

Dieser Kuhhandel wurde nun im Fall von 650 chinesischen Emigranten publik, deren Schiffe letzte Woche auf internationalen Gewässern von der US- Küstenwache festgesetzt wurden. Die USA wollten die Emigranten auf keinen Fall auf ihr Territorium lassen, wo sie nach herrschender Sonderregelung für Chinesen sehr gute Chancen auf politisches Asyl gehabt hätten. Die Mexikaner, deren Rechtslage die Abschiebung ohne Asylanhörung erlaubt, reagieren wiederum empfindlich, wenn laut ausgesprochen wird, was jeder weiß: daß sie vom großen Nachbarn Geld für bestimmte Drecksarbeiten bekommen, während derselbe Nachbar gleichzeitig mexikanische Immigranten so behandelt, wie die Mexikaner chinesische Immigranten behandeln. Nun haben sie eingewilligt, die Chinesen an Land zu lassen, um sie dann als Freundschaftsdienst für den Nachbarn umgehend und ohne Asylanhörung abzuschieben. Es dürfte der dezente Hinweis Washingtons ausschlaggebend gewesen sein, daß fehlende Kooperationsbereitschaft von seiten Mexikos zu Verstimmungen im US-Kongreß führen könnte, der in ein paar Monaten über das Freihandelsabkommen Nafta abstimmen muß. Asylpolitik im Zeichen des Wandels und des Kleingelds. Andrea Böhm, Washington