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Ein Millimeter pro Stunde

■ Größte Kristallzuchtanlage eingeweiht / Kristalle für Computer

"Kristallzüchter sind Künstler“, sagt Dietmar Jockel und schnippt mit dem Fingernagel gegen ein Produkt seiner Arbeit. Ein heller Ton erklingt: "Kristalle müssen schwingen“, ergänzt er. Jockel ist Kristallzüchter am Zentrum für Funktionswerkstoffe GmbH (ZFW). Dort ist die größte Kristallzuchtanlage der Welt eingeweiht worden. Bezahlt hat die drei Millionen Mark teure Vorrichtung das Land Niedersachsen.

Galliumarsenidkristalle sollen in der neuen Zuchtanlage entstehen. Sie verdrängen in der Elektroindustrie zunehmend das Silizium: "Die Signalverarbeitungsgeschwindigkeit bei den Kristallen ist bis zu zehn mal höher. Sie haben optische Eigenschaften und verbrauchen nur minimale Energie“, faßt Rolf Schettler, Mitarbeiter des ZFW, die Vorteile zusammen.

Die Einsatzmöglichkeiten der Kristalle reichen von der Leuchtdiode am Fahrradrücklicht bis zur Satellitentechnik. Bei der Weiterverarbeitung werden sie zumeist in hauchdünne Scheibchen geschnitten.

Die Kunst der Züchter besteht darin, möglichst große sogenannte Einkristalle zu schaffen. Bei 1238 Grad wird das Galliumarsenid (Kilopreis: 4500 Mark) dazu in einem speziellen Tiegel eingeschmolzen. Die heiße Masse berührt einen Keimkristall, der die gewünschte atomare Struktur des späteren Einkristalls vorgibt, und wird extrem langsam abgekühlt. "Wir brauchen eine Stunde pro Millimeter", erklärt Jockel.

Erst dann kann über Erfolg und Miterfolg der Zucht entschieden werden. Jede Störung im atomaren Bereich bedeutet eine Störung im elektronischen Bereich, der Kristall wird unbrauchbar. Das kann schon bei den kleinsten Temperaturschwankungen passieren, sagt der Spezialist.

In Göttingen soll die Zuchtmethode so weit verbessert werden, daß bis zu zehn Zentimeter starke und ein Meter lange fehlerfreie Kristalle entstehen, zu konkurrenzfähigen Preisen.

In zwei Jahren, so hoffen die Wissenschaftler des ZFW, können sie erste Ergebnisse ihrer vorerst nicht kommerziell ausgerichteten Forschung vorweisen.

In der Kristallzuchtanlage soll ein Verfahren zur Produktion von möglichst großen Galliumarsenidkristallen entwickelt werden.

Diese sogenannten Einkristalle benötigt die Elektronikindustrie unter anderem für schnelle Computer, optische Bauelemente oder Hochfrequenzanwendungen. Die Wissenschaftler des ZFW hoffen, mit der neuen Anlage binnen weniger Jahre den technologischen Vorsprung der USA und Japans auf dem Gebiet der Halbleiter- Einkristallzüchtung aufholen zu können.

dpa

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