: Putzen für die Kunst
Im Schiller Theater gehen die Faust-Proben mit ungebremstem Elan weiter. Eine öffentliche Probe besuchte ■ Klaudia Brunst
„Putzdienst für die Woche vom 21. bis 26. Juni: de Paris und Hoppe“ steht auf dem Plan in der Teeküche. Das ist kein PR-Gag, das ist kein Besetzungsplan für ein neumodisches Theaterstück. Diese Liste, auf der sich das probende Ensemble wochenweise eintragen muß, spiegelt die derzeitige Realität der Staatlichen Bühnen Berlin: Weil kein Geld mehr ausgegeben werden darf, müssen die Schauspieler nun selbst ihren Proberaum in Moabit sauberhalten. Die Journalisten staunten nicht schlecht. Ob am Ende Marianne Hoppe höchstselbst den Besen in der Perleberger Straße geschwungen hat?
Dort arbeitet in diesen Wochen Einar Schleef mit ungebremstem Elan an seinem Faust-Projekt. Am Freitag hatte er – ganz gegen seine sonst üblichen Vorlieben – zu einer öffentlichen Probe geladen. „Es war mein eigener Wunsch“, erklärte der Regisseur der in großer Zahl angereisten Journalistenmeute, die mit viel Kameragerät und Blitzlichtgewitter Bild um Bild einfangen wollte – wohl auch, um ihr nachrichtliches Sommerloch noch einmal mit dem Schiller-Theater-Skandal zu stopfen.
Doch bevor sich die ersten Stimmen des Faust-Chorals erheben konnten, mußten Einar Schleef und der künstlerische Leiter des Hauses, Gerhard Ahrens noch einmal all das erklären, was kaum noch jemand nicht weiß (aber niemand mehr glauben kann): Daß das Schiller Theater noch nicht am Ende sei, daß man guten Mutes ist, die Krise zu überwinden – und daß man gedenke, die Wirren der vergangenen Wochen für sich künstlerisch nutzbar zu machen.
Am 27. Juli wird das Landesverfassungsgericht über die Klage der FDP entscheiden, am 18. August wird vor dem Bühnenschiedsgericht über die einstweilige Verfügung verhandelt, derzufolge das vertraglich garantierte Recht auf Spieltätigkeit den Schließungsentschluß des Senats außer Kraft setzen soll. „Aber es ist immer von Übel, sich auf die Juristen allein zu verlassen“, erklärte Ahrens, und so seien diese Proben auch ein Teil der umfassenden Strategie, „die nächsten Jahre für das Schiller Theater zu retten“.
Einar Schleef, nun auch im neu gebildeten Leitungsteam, scheint aber selbst nicht mehr so recht an einen Fortbestand der Bühne zu glauben, mit der er vor wenigen Wochen einen Fünfjahresvertrag geschlossen hat. „Wir arbeiten Faust“, heißt seine unermüdlich vorgetragene Formel, „wo immer die Premiere stattfinden wird.“ Ihm ist wohl am ehesten zuzutrauen, daß er „keine Kohle mit dem Schiller machen“ will. Schleef geht es wohl wirklich um seinen Faust und sein Theater. Ganz anders als es die Gerüchteküche um Nils Peter Rudolph berichtet, von ihm wird an der Bismarckstraße inzwischen kaum mehr erwartet, als daß er seine Abfindung einstreicht und sich das nächste Haus sucht.
Seit vierzehn Tagen probt Schleef nun schon mit seinem Ensemble das Faust-Projekt, das mit Sicherheit sehr anders sein wird, als sich das so mancher Journalist mit Gymnasialbildung vorstellt: Die Frage „Und wer spielt das Gretchen?“ stürzte den Meister sichtlich in Ratlosigkeit.
Immer wieder ist Einar Schleef wegen seiner eigenwilligen Probenmethoden ins Gerede gekommen. Das verwöhnte Schiller- Theater-Ensemble habe sich zunächst in Scharen geweigert, ihm auf die Probebühne zu folgen, hieß es gerüchteweise. Jetzt endlich wurde die Besetzung festgelegt und veröffentlicht. Es ist eine Mischung aus Staatschauspielern und Schleef-Jüngern. Er habe keineswegs „das Schiller-Ensemble an die Wand drücken wollen“, erklärte Einar Schleef, aber da die Proben für den Faust auf die Sommermonate fielen, habe man unweigerlich Unterstützung von außen heranholen müssen. Die Staatsschauspieler mochten ihre Urlaubspläne nicht umwerfen.
So wurden Interna über Interna ausgeplaudert. Nur die Frage, ob Marianne Hoppe wirklich zum Putzen eingeteilt worden war, blieb weiter offen. Schließlich befand dann der Regisseur selbst, daß der Worte nun genug gewechselt seien. Die Proben sind schließlich allein seine Sache und die seiner Schauspieler, bellte er verärgert in Richtung Presse. „Wenn ich im Restaurant ein Essen bestelle, kann ich auch nicht dem Koch auf die Finger schauen“, machte er uns die Machtverhältnisse deutlich, „da kriege ich das fertige Essen auf den Tisch. Höchstens kann man da mal mit dem Kellner maulen.“
Dann aber ließ uns Einar Schleef doch noch in die Töpfe gucken. „Wer hat das Haus so schlecht gebaut.../ Wer hat den Saal so schlecht versorgt“, sang der vielstimmige Faust-Chor zur Eröffnung der Probenarbeit. Man zeigte den kamerabewehrten Gymnasialabgängern theatralische Kostproben aus der Feder des Herrn von Goethe, von Hand des Herrn Schleef und mit den Stimmen seiner folgsamen Schüler. „Ich habe es satt, das ewige Wie und Wenn“, schallte es uns entgegen. „Es fehlt an Geld. Nun gut. So schaff' es denn“. Wie schön, daß man bei Goethe für jeden passenden Anlaß ein passendes Wort findet, dachte sich so manch einer.
Und wie war das jetzt mit Frau Hoppe? Sie soll schon mal in der Perleberger Straße gewesen sein. Aber dann doch nicht zum Putzen. Mehr so zum Kunst schaffen. Geputzt hat Kollege Ulrich Hoppe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen