: „Wir sind doch keine Rambos“
■ Mit dem neuen Sicherheitsdienst auf Patrouille am Kurfürstendamm entlang
Der rumänische Junge in der viel zu großen Lederjacke schaut verständnislos nach oben, als ihn der breitschultrige Mann in schwarzer, uniformähnlicher Kleidung und rotem Barett auffordert, seinen Platz vor „Peek & Cloppenburg“ zu räumen. Erst als ihn der zweite Mann, selbst Jugoslawe, auf Rumänisch bittet, sich mit seinem Akkordeon von den Geschäften fernzuhalten, entspinnt sich eine kurze Konversation, in deren Folge der Junge, wenn auch mit unwirschem Blick, aufsteht und geht. Der Sicherheitsmann gibt ihm 30 Pfennig und erklärt dem Reporter: „Der hat viel durchgemacht, das sieht man an seinem Gesicht. Die Kinder können ja nichts dafür. Die werden von ihren Leuten auf die Straße geschickt und sollen das Geld ranholen.“
Es geht auf 13 Uhr zu, und seit vier Stunden patrouillieren zwölf Angestellte des „Sicherheitsdienstes CMM“ in Vierergruppen den Ku'damm entlang, immer parallel auf beiden Seiten der Straße. Zusätzlich fahren zwei Männer in einem blauen Golf den Ku'damm ab: „Das sind die Revierfahrer“, erklärt ein CMM-Mann. Die Gruppen stehen ständig in Funkkontakt. Sobald es „Ärger gibt“, sollen sie zusammenkommen.
Ärger gibt es an diesem Vormittag vor allem mit den Hütchenspielern. Ein Sicherheitsdienstler berichtet: „Wir haben denen vorhin gesagt, daß sie mit dem Spielen aufhören und abhauen sollen.“ Das hätten die auch gemacht, doch mein Gesprächspartner fürchtet Konflikte: „Die holen jetzt bestimmt ihre Gewehre.“ Sein Kollege äußert Verständnis für die Hütchenspieler: „Das ist ja deren einzige Möglichkeit, Geld zu verdienen.“ Trotzdem müßten sie verschwinden, denn: „Je mehr wir von denen abräumen, desto besser ist das für unseren Ruf.“
Die Patrouille nähert sich einer Gruppe von Albanern, die sofort identifiziert werden: „Die haben wir heute morgen schon einmal getroffen.“ Die Albaner schauen feindselig herüber. Einer von ihnen sagt mit drohender Stimme: „Die machen euch fertig, die Hütchenspieler.“ Die kleinen Pappschachteln in seinen Händen verbirgt er dabei nicht: „Das ist überhaupt nicht eure Aufgabe. Das hat auch die Polizei gesagt.“ Die Wachmänner geben sich kämpferisch: „Wir werden sehen, wer besser ist.“ Nachdem die Albaner das Feld räumen, meint einer der CMM-Männer nachdenklich: „Die kommen ja nicht irgendwann und sagen: ,Wir wollen uns mit euch prügeln.‘ Nein, da hast du plötzlich ein Messer im Rücken.“
Den „Rummel“ um die Arbeit der Truppe versteht er nicht: „Wir sind doch keine Rambos.“ Daß die Polizei mit den Hütchenspielern fertigwerden könnte, glaubt er nicht: „Ich war früher selber mal Bulle. Die sitzen doch nur in ihren Wagen und schaukeln sich die Eier.“ Und wie will der Sicherheitsdienst die Spieler vertreiben? „Unser Einsatzleiter verhandelt seit Tagen mit denen. Der versucht denen klarzumachen, daß das unser Revier ist. Das sagen die aber auch.“ So werde man halt warten, „bis sie uns angreifen“.
Viel „Arbeit“ gibt es an diesem Vormittag nicht für die Leute vom Sicherheitsdienst: Eine Rumänin mit Kind wird aufgescheucht, ein bettelndes Mädchen lassen sie sitzen: „Das Café ist sowieso geschlossen.“ Ein paar Obdachlose haben die CMM-Leute schon am Morgen offensichtlich erfolgreich vertrieben. „Die Polizei haben wir noch nicht rufen müssen“, erzählt einer der Männer. „Das Problem sind die ganzen Junkies auf dem Breitscheidplatz. Aber das ist Kirchengelände, da bleiben wir weg. Die Kirche hat ja ein Herz für jeden“, meint mein Gesprächspartner mit verständnisloser Stimme.
Die Passanten reagieren überwiegend mit neugierigen Blicken auf den neuen Sicherheitsdienst. Ein älterer Mann mustert anerkennend die Patrouille und meint: „Das wurde ja auch höchste Zeit, der Ku'damm ist ja kaum noch wiederzuerkennen mit diesem ganzen Pennervolk.“ Darauf ein Sicherheitsmann: „Schönen Tag noch!“ Ulrich Jonas
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen