: Trinken aus der Bambusschale
■ Quasi in Togo: Kinder lernen im Überseemuseum spielend, was es heißt, fremd zu sein
Trinken aus der Bambusschale
Quasi in Togo: Kinder lernen im Überseemuseum spielend, was es heißt, fremd zu sein
Sengende Sonne statt Bremer Sommerregen. In einem Dorf irgendwo in der Steppe von Westafrika. Für zwei Vormittage fremd — als AusländerIn. Unter dem Motto: „Begegnung mit Fremden“ hatte das Überseemuseum gestern und vorgestern zehn Bremer Ferienkinder zwischen sieben und zehn Jahren zu einem reizvollen Rollenspiel eingeladen: Für zwei Vormittage waren sie Deutsche in Togo.
„Die sprechen ja nur Französisch!“ entfährt es der 13-jährigen Lina, als die Gruppe zu Gast bei dem Afrikaner Mass Bamba und seiner „Frau“ Helene bei Wasser aus der Bambusschale vor einer rekonstruierten Lehmhütte des Museums sitzt. Auch die anderen Kinder in der Runde sind merklich still geworden. Gar nicht so einfach, ohne Worte zu erklären, daß man hungrig und müde ist und ein Hotel sucht.
Hotels gibt's natürlich keine, dafür lädt Mass Bamba alle zum afrikanischen Essen ein. Fern von Kühlschrank und Mikrowelle heißt das für die Kinder erst mal: Getreidekörner stampfen, Mehl sieben, Feuer machen. Daß man nach dem Yamsbrei mit Rindfleisch gemäß Ritus dann auch noch mit den Fingern langt, empfinden viele geradezu als „Sauerei“. Und als sich die afrikanischen Gastgeber während des Essens nach dem Befinden von Onkel und Tanten und sogar nach den Haustieren ihrer Gäste erkundigen, bleibt vielen vor Verblüffung fast der Bissen im Mund stecken. Die meisten stimmen aber doch der 11-jährigen Nikola zu, die meint, daß die Begrüßung schon „viel festlicher als bei uns“ gewesen sei.
Mass Bamba, der Mann aus Togo, der seit drei Jahren als Flüchtling in Bremen lebt, weiß, wovon er spricht. In Deutschland, meint er, werde er oft nicht einmal nach seinem Namen gefragt, da hieße es immer nur:“Wo kommst du her? Wie lange bleibst du?“ Mit dem Einleben habe er so seine Probleme gehabt: „Die erste Kontaktschwelle ist hier schwer zu überwinden. In Afrika ist man sofort in einer Gemeinschaft, hier lebt jeder für sich.“
„Afrikaner sehen wir doch nur als schwarze Masse aus der Ferne!“ meint Helga Rathjen, die Initiatorin der Aktion. Ihr geht es um den persönlichen Kontakt zwischen Menschen. Nachdenken gehört in ihrem Konzept zwar zum Spiel dazu, aber nicht der erhobene Zeigefinger der Moral oder Politik. Es soll noch Platz zum Staunen bleiben, denn „wir haben es zwar geschafft, in jeden Winkel der Welt zu kommen, aber ohne auch nur eine Minute stillstehen zu können.“ Gisa Funck
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