Draufzahlen müssen Frauen eh

■ Beratungsstellen sehen „Tendenz zur Geschäftemacherei“ beim neuen Abtreibungsrecht / Sozialämter zahlen nicht rückwirkend     Von Sannah Koch

Die Schikane liegt in fast jedem Detail: Das neue Abtreibungsrecht ist nicht nur als Gesamtpaket ein Schlag gegen die weibliche Autonomie, sondern hält für ungewollt Schwangere zahlreiche Fußangeln bereit. Eine, die in fast alle hineingetappt ist: die Sozialhilfeempfängerin Heike S. (Name geändert). Ihre Erfahrungen mit dem neuen Paragraph 218: „Ich bin selten so gedemütigt worden.“

„Dumme Sprüche“ habe sie allerorten zu hören bekommen, aber diese Erfahrungen haben Frauen auch schon früher gemacht. Neu ist, daß Heike S. zusätzlich überall zur Kasse gebeten wurde: „Der Internist, zu dem mich mein Frauenarzt zur Beratung geschickt hat, wollte dafür 50 Mark in bar haben.“ „Ein klarer Verstoß gegen die Berufsordnung“, so Dieter Schmidt, Sprecher der Hamburger Ärztekammer. Denn die Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Beratung (ungefähr 20 bis 30 Mark). Voraussetzung: Die Frau muß einen Kranken- oder Überweisungsschein vorlegen.

Der nächste Schock für Heike S. saß tiefer: „Als ich im Sozialamt die Rechnung für den Abbruch vorlegte, wollten die mir das Geld nicht geben“, berichtet sie. Begründung des Sachbearbeiters: Sozialhilfe werde nicht rückwirkend gewährt.Heike: „Das hat mir vorher von den Ärzten niemand gesagt.“

Tatsächlich gilt: Sozialhilfe-empfängerinnen bekommen den Eingriff nur bewilligt, wenn sie die Kostenübernahme vorher beantragen. Allerdings muß die Frau dafür nicht mehr das Einkommen ihres Mannes oder ihrer Angehörigen angeben. Der Abbruch wird als „Hilfe in besonderer Lebenslage“ eingestuft, die Einkommensgrenze der Frau darf dabei allerdings die Summe aus 1450 Mark monatlich, Familienfreibetrag (414 Mark) und Miete nicht übersteigen. Die Hamburger Beratungsstellen, wie das Familienplanungszentrum (FPZ) von Pro Familia, haben bereits Antragsvordrucke entworfen.

„Wir haben den Eindruck, daß sich unter den Medizinern die Tendenz zur Geschäftemacherei durchsetzt“, glaubt Bärbel Ribbert, Beraterin im FPZ. So lägen die geforderten Kosten bei 300-400 Mark bei örtlicher Betäubung und ab 600 Mark aufwärts für Vollnarkose. Die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg würde dem Arzt im Fall eines Abbruchs auf Krankenschein nach der Gebührenordnung jedoch nur zwischen 162 und 372 Mark (Ausschabung + Narkose) erstatten, erklärt KV-Sprecherin Belinde Diethelm. Bestehen können Schwangere auf diesem Kostensatz allerdings nicht. Heike S. mußte ihrem Frauenarzt 700 Mark zahlen.

Zu allem Überfluß habe sie der Sachbearbeiter auf dem Sozialamt angemeckert, warum sie nicht wenigstens die billigere örtliche Betäubung gewählt habe, erzählt Heike genervt. Auch das darf ein Sachbearbeiter nicht, so die Information aus dem Frauensenatsamt. Über die Art der Behandlung hätten einzig Arzt und Patientin zu befinden. „Die Verunsicherung der Frauen ist sehr groß“, hat auch Bärbel Ribbert beobachtet. Schwangere sollten sich aber vor Augen führen, daß nach dem neuen Abtreibungsrecht „trotz all des ganzen Schlamassels“ sie alleine über die Frage Abtreibung oder nicht entscheiden..

Für einige Frauen gilt das jedoch nicht: Asylbewerberinnen, die weniger als ein Jahr in Deutschland leben, haben keinen Anspruch.Ausnahme: Gefahr für Mutter oder Kind. Auch für Frauen, die durch eine Vergewaltigung schwanger wurden, hält der neue 218 eine besondere Schikane bereit: Sie dürfen ihre Indikation (Abbruch auf Krankenschein) nur von einem Vertrauensarzt der Krankenkassen oder einem Amtsarzt ausgestellt bekommen. Oder sie zahlen selber.