piwik no script img

Für die Herrensandale!

Im Kampf gegen Schwitz, Schweiß, Ästheten und Machotum: Ein Plädoyer für das gemeine Sommerschuhwerk der Herren / Gewagt  ■ von Kotte

Es gibt unter uns Verklemmte, denen sind verregnete Sommer wie dieser durchaus sympathisch – schon aus einem Grund: Wenn's gießt und dauerhaft unter 20 Grad ist, dann blieben sie endlich im Flurschränkchen, die Birkenstocks, Wörishofener, Ganter, oder Bio-Walker. Mit der Herrensandale wollen sie sich einfach nicht abfinden, diese körperfeindlichen sog. Ästheten. Allen Ernstes bezeichnen diese Kritiker das Schuhwerk, das Haut zeigt wie kein anderes, als „unerotisch“. Für sie muß solch ein Mann, der auf Nagel- und Fußbett achtet, natürlich auf der Matratze ein Versager sein. Vom Krankenkassenstandpunkt, das wissen sie nicht nur insgeheim, ist gegen das massenhafte „Zehen frei!“ freilich nichts zu sagen. Auch räumen sie ein, daß es zwischen dem politisch unkorrekten Springerstiefel und dem von Orthopädos kritisierten Stöckelschuh luftige Schuhe gebe, die sie noch halbwegs an Halbschuhe erinnerten. Doch gerade beim verbreitetsten offenen Sommerschuh, der gemeinen Herrensandale, geben diese Antidemokraten keine Ruhe. Abstimmung mit den Füßen? Darüber gehen sie einfach hinweg! Die Sandale komme meist haselnußbraun, mausgrau oder bordeauxrot daher, lügen die verklemmten Ästheten schamlos und böse. Die Sandale lege sich in einer oder zwei Schleifen breit und möglichst über Kreuz über den Spann und beweise mit ihren künstlich vorverwitterten Plastik- oder Metallschnallen trotzig Trendresistenz. Na klar: Die Herrensandale ist ein Klassiker. Und zwar ein so klassischer, daß Vorurteile wie diese glatt versagen müssen. Man kann die gemeine Herrensandale eben immer wieder nur beschreiben (oder feindselig anstarren), sie aber nicht wirklich verändern!

Oberflächliche Schelme, wie sie sind, denken die Schwitzfüßler beim Anblick der Sandale nur an Hausmeister und Herbergsväter. Dabei wird sie schichtübergreifend getragen, mal glänzt sie raffiniert italienisch, mal ist sie ganz matt aus praktischer Plaste. Selbst im Kalten Krieg kannte sie keine Grenzen, nur Sprachbarrieren (BRD: Jesuslatsche/DDR: Römerlatsche). Sogar Nike macht heutzutage Herrensandalen für die junge Generation aus High-Tech-Kunststoff.

Wer Sandale trägt, kann kein Trampel sein. Er signalisiert vielmehr Verletzlichkeit. Wer sie trägt, der zeigt Offenheit und steht eben auch zu seinen dicken, gelben Fußnägeln. Und er beweist feministisches Bewußtsein (bequem und breit statt Macho-spitz). Ob eingewachsen oder brüchig: tragt mehr Sandalen, dann spart Ihr unsern Enkeln die Fußpflegeversicherung! Übrigens: Am Montag ist Sommerschlußverkauf.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen