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Clintons kubanische Sorgen

In den USA wächst der Druck, die Kuba-Politik „aus dem Eisfach des Kalten Krieges zu ziehen“ / Havanna: Wirtschaftsreformen „unumkehrbar“ / Wandel bei Exilkubanern  ■ Von Bert Hoffmann

Stell dir vor, in Kuba fällt die Revolutionsfeier aus, und niemand in Washington jubelt. Vor genau 40 Jahren griff der junge Anwalt Fidel Castro mit einer Handvoll Getreuen die Moncada-Kaserne an. Die Aktion schlug fehl, Castro wurde verhaftet, das Datum aber markiert den Beginn der kubanischen Revolution. Doch wenn heute, am 40. Jahrestag jenes legendären „26. Juli“, alle geplanten Massenveranstaltungen abgesagt sind, hat nicht das Volk dem alt gewordenen Revolutionsführer die Gefolgschaft aufgekündigt, sondern die Zapfsäulen: der katastrophale Treibstoffmangel legt die sozialistische Karibikinsel lahm, Kubas Wirtschaft geht am Stock, die Industrie liegt brach, und die extrem schlechte Ernte der Devisenbringer Zucker und Tabak in diesem Jahr verspricht einen noch größeren Mangel an Brot, Diesel und Düngemitteln im nächsten.

Dennoch macht sich in den USA weniger Triumphstimmung breit als vielmehr Frustration. Die Genugtuung über den Niedergang des Regimes, das über drei Jahrzehnte hinweg ein Schaufenster erfolgreichen Dritte-Welt-Sozialismus' direkt vor der Nase der USA zelebrierte, weicht der Ernüchterung – und der wachsenden Sorge, welche Folgen eine weitere Politik der wirtschaftlichen Strangulation Kubas letztlich auch für die USA haben könnte. Verschärfte Spannungen und Unruhen könnten leicht, so warnte unlängst der Washingtoner Council on Hemispheric Affairs, „zu einem Bürgerkrieg zentralamerikanischen Zuschnitts nur 90 Meilen vor der Küste der USA führen“ – eine Entwicklung, die keinesfalls im Interesse Washingtons liegt. Allein das Flüchtlingsproblem wäre immens. Schon die 100.000 Kubaner, die 1980 die Insel auf einen Schlag verlassen hatten, wurden zur innenpolitischen Zerreißprobe für die Regierung Jimmy Carters.

Doch auch in der kubanischen Exilgemeinde in Florida zeichnet sich unter dem Eindruck der dramatisch gewordenen Ernährungslage auf Kuba ein Wandel ab. Fast alle hier haben Verwandte und Familienangehörige auf der Insel. Und wo sich in Kuba bislang unbekannte Mangelerkrankungen ausbreiten, werden selbst in Miami Stimmen gegen das erst im letzten Jahr verschärfte Wirtschaftsembargo laut. Für heftigen Streit in der Exil-Community sorgte so der in die USA geflüchtete kubanische Mig-Pilot Orestes Lorenzo: Nachdem er in einer kühnen Aktion auf die Insel zurückflog, um auch Frau und Kind in die USA zu bringen, wurde er zum gefeierten Helden Miamis; als er danach jedoch dazu aufrief, in einem „Kreuzzug der Liebe“ Lebensmittel und Medikamente für die notleidenden Brüder und Schwestern auf die Insel zu schiffen, stand er frontal gegen die Anti-Castro-Hardliner, die auf einer kompromißlosen Blockadepolitik beharren.

Aber nicht nur die „Dissidenten im eigenen Lager“ bereiten dem unversöhnlichen Chef-Politico des Miami-Exils, Jorge Mas Canosa, zur Zeit Bauchschmerzen. Mit Lobby-Arbeit und harten Pressionen hatte seine „Kubanisch-Amerikanische Nationalstiftung“ (CANF) noch vor einigen Monaten verhindert, daß US-Präsident Clinton den moderaten Kubano- Amerikaner Mario Baeza zum Leiter der Lateinamerika-Politik im Außenministerium ernannte. Unlängst mußte der ehrgeizigste Anwärter auf die Castro-Nachfolge jedoch auch auf der politischen Bühne Washingtons eine empfindliche Niederlage einstecken: Seinem Lieblingsprojekt, dem auf Kuba ausgerichteten Anti- Castro-Fernsehen „TV Marti“, kappte das Finanzkomitee des Repräsentantenhauses die weitere Finanzierung durch den Steuerzahler.

Gleich das ganze Wirtschaftsembargo Washingtons ad acta legen will Roger Fontaine, ein ehemaliger Mitarbeiter in Reagans „Nationalem Sicherheitsrat“ und keinerlei linksliberaler Regung verdächtig. Das Embargo sei „genauso anachronistisch wie der kubanische Führer selbst“, schrieb er vor kurzem in der Washington Post. Wenn Kubas Außenminister zum wiederholten Male das Ende der Blockade fordert, „sollte Präsident Bill Clinton gähnen – und das Embargo einfach einseitig aufheben, ohne Castro auch nur die Ehre zu erweisen, mit ihm darüber zu verhandeln“. Die Begründung des Reagan-Mannes ist bemerkenswert: „Sein Image als letztes Bollwerk gegen den ,US-Imperialismus‘ ist alles, was Castro noch geblieben ist“, schreibt Fontaine, um dann zu warnen: „Dieser ,Anti- Gringoismus‘ hat zur Zeit einen niedrigen Stand in Lateinamerika, weil Demokratie und freier Markt ,in‘ sind. Aber härtere Zeiten werden kommen, denn einige lateinamerikanische Reformer werden scheitern. Dann wird Anti-Amerikanismus an einigen Orten zurückkehren, und Fidel wird wieder ein Held sein.“

Doch der dergestalt befürchtete „Held in der Warteschleife“ gibt sich nur noch nach innen anti-kapitalistisch, nicht mehr nach außen. Denn es sind gerade ausländisches Kapital und Joint-ventures, die Fidel Castro als Rettungsanker in Kubas wirtschaftlicher Not umwirbt. In dem Maße aber, in dem Kuba seine Wirtschaft für internationale Investoren öffnet, wird für die US-amerikanischen Firmen das politisch motivierte Handelsverbot immer mehr zu einem „Standortnachteil“ gegenüber den Europäern, Kanadiern und Lateinamerikanern.

In kaum verhülltem Bruch des US-Embargos trafen so am 17. Juli rund 80 nordamerikanische Unternehmer und Manager in Havanna ein, um sich von Castros agilem Wirtschaftsmanager, dem 41jährigen Carlos Lage, die Perspektiven des Kuba-Geschäfts erläutern zu lassen. Der begonnene wirtschaftliche Reformprozeß sei „unumkehrbar“, versicherte ihnen Lage, dritter Mann im Staate hinter den Castro-Brüdern und oft schon als eine Art „faktischer Premierminister“ gesehen. Und gleichsam als Beweis verkündete er vor den versammelten Business-Leuten den ganz legalen Wiedereinzug von König Dollar auf der Insel: Alle Kubaner dürften künftig Devisen besitzen und in den Dollarshops frei ausgeben – und auch frei aus dem Ausland erhalten. Allein in den nächsten zwölf Monaten könnten die Exilkubaner auf diese Weise, so erste Spekulationen, rund eine Milliarde Dollar an die Verwandten auf der Insel schicken.

In Washingtons Kuba-Politik sei es nun „Zeit für den Wandel“, diagnostizierte denn auch jüngst die New York Times. Im Buhlen um die kubanischen Wählerstimmen hatte Bill Clinton im letzten Jahr das Gesetz zur Verschärfung der Blockade lautstark unterstützt. Wenn mittlerweile jedoch selbst „eine wachsende Zahl von Kubano-Amerikanern der Konfrontation überdrüssig wird“, resümmiert der Kommentar, habe Clinton jetzt „genügend politischen Spielraum, um die Kuba-Politik der USA aus dem Eisfach des Kalten Krieges zu ziehen“. Die Frage bleibt, ob er ihn zu nutzen versteht.

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