■ Südafrika erlebt ein neues Massaker
: Hoher Preis der Demokratie

Man nimmt es in Südafrika inzwischen mehr oder weniger stumpf hin: elf Menschen sind bei einem Massaker in Kapstadt gestorben, Inkathaführer Buthelezi hat seine Drohungen wiederholt, es werde Bürgerkrieg geben, wenn er nicht alles bekomme, was er fordert. Ein normales Wochenende in diesem mitgenommenen, hin- und hergerissenen Land. Normal – wenn nicht die Opfer des Überfalls auf die St.-James-Kirche diesmal Weiße gewesen wären. Und wenn nicht Buthelezis Drohungen einen Tag vor dem Beginn der Mehrparteiendebatte über eine demokratische Verfassung gekommen wären.

Auch wenn noch unklar ist, wer für den Überfall auf die St.-James-Kirche verantwortlich ist, und auch wenn die Nichtteilnahme von Inkatha an den heutigen Verfassungsgesprächen noch kein endgültiges Scheitern der Verhandlungen bedeutet: die ungewöhnlichen Umstände der inzwischen zur Routine gewordenen Meldungen machen deutlich, daß die Gegner einer demokratischen Ordnung in Südafrika zu verzweifeln beginnen. Je unaufhaltsamer die Entwicklung in Richtung Wahlen, um so deutlicher wird Buthelezi und seinen weißen Freunden in den rechtsradikalen Parteien, daß all ihre Träume, doch noch ein Stück der alten Ordnung retten zu können, Schall und Rauch sind.

Deshalb wird geschossen, gemordet und gedroht. Weil Unsicherheit, Angst und Schrecken – so zumindest die Theorie – die Menschen dorthin treiben werden, wo sie sich am sichersten fühlen: zu den Law-and- order-Parteien, zu Gruppierungen wie Inkatha, die sich auf traditionelle Werte berufen. Aber wenn der Überfall von anderer Seite stammen sollte, etwa vom linken PAC oder von abtrünnigen oder psychisch deformierten ANC-Soldaten? Oder von Mitgliedern jener third force – der sogenannten dritten Kraft aus Polizei und Militär? Möglich wäre alles – der PAC und die aus dem afrikanischen Exil zurückgekehrten Guerillas des ANC sind ungeduldig geworden. Zudem gibt es innerhalb der Sicherheitskräfte Personen, die – wie die SS im Mai 1945 – nicht daran denken, alleine unterzugehen.

Sicher kann man sich heute in Südafrika nur über eines sein: die demokratischen Wahlen werden kommen. Und ihr Preis wird hoch sein. Noch viele Menschen werden ihretwegen sterben müssen. Stephen Laufer, Johannesburg