Berliner HMI-Atommüll geht auf eine lange Reise

■ Erstmals wurden 26 Brennelemente vom Wannsee nach Schottland verschickt

Das Berliner Hahn-Meitner-Institut (HMI) hat am Wochenende erstmals abgebrannte Brennelemente zu einem Forschungsreaktor ins schottische Dounreay gebracht. Wie ein Sprecher des Instituts gestern auf Anfrage mitteilte, habe es sich dabei um 26 Brennelemente gehandelt, in denen 2,5 Kilogramm Uran 235 und wenige Gramm Plutonium enthalten sind. Der Transport sei zunächst auf dem Landweg und später per Schiff erfolgt. Zu Behinderungen des Transports durch Atomkraftgegner kam es nicht, weil der Transport bis zuletzt geheimgehalten worden war.

Die Verbringung sei in „besonders sicheren“ Behältern erfolgt, die vom Bundesamt für Strahlenschutz für derartige Zwecke zugelassen sind und härtesten Unfallbedingungen standhalten sollen. Die an der Behälteroberfläche gemessene Strahlung habe nach der Beladung nach Angaben des HMI nur etwa ein Prozent des maximal zulässigen Strahlenwertes betragen.

Die Brennelemente stammen aus dem modernisierten HMI-Forschungsreaktor BER II, der im Frühjahr 1991 wieder in Betrieb genommen worden war und seit Herbst 1992 im Routinebetrieb arbeitet. In der Regel sind dreiwöchige Betriebsperioden bei einer Leistung von zehn Megawatt durch eine Abschaltwoche für Wartungszwecke voneinander getrennt. Mit den Neutronenstrahlen, die bei der Kernspaltung im Reaktor entstehen, können die HMI-Wissenschaftler Strukturuntersuchungen über den Aufbau von Atomen und Molekülen durchführen. Dazu sind rund um den Reaktor 15 Spektrometer und andere Bestrahlungseinrichtungen installiert, die derzeit zu mehr als 70 Prozent von Gastwissenschaftlern genutzt werden.

Nach der Betriebsgenehmigung für den Forschungsreaktor, seinerzeit der letzte große Konflikt der rot-grünen Senatskoalition, ist als Entsorgungsweg für die jährlich auszuwechselnden Brennelemente die Wiederaufarbeitung im schottischen Nuklearzentrum Dounreay an der Nordspitze der britischen Insel vorgesehen. Später werden die zementierten, teilweise abgeklungenen radioaktiven Wiederaufarbeitungsrückstände wieder nach Deutschland zurückgebracht, sobald hier ein Endlager zur Verfügung steht. Nach den Verträgen muß dies in spätestens 25 Jahren der Fall sein. So lange kann der Berliner Atommüll in Großbritannien bleiben.

„Auf das Schärfste“ hat die Berliner Abgeordnetenhausfraktion Bündnis 90/Grüne gegen den Atommülltransport protestiert. Es sei nach dem „St.-Florian-Prinzip“ verfahren und das Entsorgungsproblem vom Wannsee an die Nordsee verlagert worden, hieß es. Der Wiederaufbereitungsanlage in Schottland würden radioaktive Kontaminationen im Meer zugerechnet. Außerdem würden sich in ihrer Umgebung Fälle von Leukämie häufen. Wie der umweltpolitische Sprecher von Bündnis 90/Grüne, Hartwig Berger, gegenüber der taz erklärte, seien bei der letzten Bilanzierung im Werk der Verlust von mehreren Kilogramm Uran festgestellt worden. Obwohl die Bundesregierung nach einer Anfrage nur von 1,8 Kilogramm unauffindbaren Urans gesprochen habe, gingen die schottischen Umweltschützer nach wie vor davon aus, daß 13 Kilogramm Uran verschwunden seien. adn/taz