: Wirre Zeugen, wirre Reden
■ Vierter Tag im Prozeß gegen die der Brandstiftung in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen angeklagten Skins
Potsdam (taz) – Am 4. Verhandlungstag gegen die beiden mutmaßlichen Brandstifter der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen präsentierte der Staatsanwalt seinen Hauptbelastungszeugen. Dessen Vorstellung sorgte jedoch eher für Verwirrung als für Klarheit.
Der 25jährige arbeitslose Burkhard W. hat die beiden Angeklagten Ingo K. und Thomas H. in seiner polizeilichen Aussage schwer belastet. Ende September will W. zusammen mit einer Gruppe Skins und den beiden Tatverdächtigen vor dem Prenzlauer Jugendheim Bier getrunken haben. Dort wurde, so seine polizeiliche Aussage, der Entschluß gefaßt, „Randale zu machen“. Der Angeklagte Ingo K. hätte den Vorschlag gemacht, nach Sachsenhausen zu fahren. Der Zeuge habe dann lediglich gesehen, wie sich etwa zwanzig Skins in Richtung Bahnhof Prenzlau auf den Weg machten. Er selber sei nach Hause gegangen.
Der Zeuge, nach Angabe der Angeklagten „ein stadtbekannter Alkoholiker“, war vor Gericht nicht fähig, die Ereignisse vom 25. September zusammenhängend wiederzugeben. Zum Teil konnte er offensichtlich den Fragen der Richter nicht folgen, zum anderen machte er den Eindruck, unter erheblichem Druck zu stehen. Er war vor seiner Zeugenaussage massiv von der Prenzlauer Skin-Szene bedroht worden. W. wiederholte immer wieder „Kann ich nicht sagen“ und „Muß ich überlegen“.
Dann war Verteidiger Wendland am Zug. Er kündigte an, die Freundin von Ingo K. könne bestätigen, daß K. am Tatabend nun doch zu Hause war. K. hatte bislang angegeben, zur Tatzeit in Prenzlau gewesen zu sein. Dies widerrief er gestern.
Auch Sven S., der mit Ingo K. in der Justizvollzugsanstalt Oranienburg die Zelle teilte, ließ Widersprüchliches verlauten. Dem Zeugen gegenüber soll K. gestanden haben, in betrunkenem Zustand die KZ-Gedenkstätte in Sachsenhausen angezündet zu haben. „Es war eine Mutprobe“, weil er sonst aus der Gruppe herausgeflogen wäre, soll K. gesagt haben.
Sven S., dem ein Prozeß wegen drei Autodiebstählen bevorsteht, erhofft sich von der Aussage ein paar „Pluspunkte“. Vor Gericht sagte er zudem aus: „Ich glaube nicht, daß K. es war. Er wollte mich nur beeindrucken.“ Anja Sprogies
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