■ Österreichs Armee wirbt Soldaten mit skurriler Broschüre: Austro-Militär-Zynismus
Wien (taz) – Auch der österreichischen Armee laufen die potentiellen Rekruten weg. Neben der wachsenden Unlust, sich auf dem Kasernenhof anbrüllen zu lassen, waren darüber hinaus nicht alle Einsätze der letzten Jahre von popularitätsteigernder Wirkung. So mußte die Armee zu Beginn der Jugoslawien-Krise in den Wäldern an der Grenze zu Slowenien mit unzureichender Bewaffnung zittern.
An der Grenze zu Ungarn, Tschechien und der Slowakei trifft man seit dem Fall der Ost-West-Mauern Doppelstreifen von „Präsenzdienern“ auf Asylbewerber-Jagd. Kein anderes westliches Land spannt Wehrdienstpflichtige so in den Kampf gegen die Einwanderung der Armen Osteuropas ein. Obwohl die auflagenstärkste Zeitung des Landes, Kronen-Zeitung, sowie FPÖ-Führer Jörg Haider regelmäßig die Frage der Fragen – „Wer überschreitet unsre heiligen Grenzen bei Nacht und Wind, ist's etwa der gemeine Flüchtling mit Weib und Kind?“ – stellen, haben immer weniger Österreicher Lust auf Patriotismus. Deshalb ließ sich die Armee etwas einfallen: An alle „Stellungspflichtigen“ erging die Broschüre: „Ich mach mit.“ Die Titelseite ziert – in Anspielung auf US-Präsident Bill Clinton – ausgerechnet ein Saxophon-Spieler. Allerdings war Clinton einst Vietnam-Kriegsdienstverweigerer. Erst in letzter Zeit entdeckte er angesichts innenpolitischer Kritik, wie wichtig für einen US-Präsidenten Bombenangriffe auf Städte im Ausland sind.
Gequält spaßig versuchen die Militär-Propagandisten, junge Männer zu werben. Beispielsweise sei es nicht nötig, einen Wecker mitzubringen. „Du wirst täglich verläßlich geweckt. ,Taaagwaaacheee!‘ heißt: Heraus aus den Federn, waschen, rasieren, anziehen und frühstücken.“ Warum man zum Rasieren und Frühstücken gleich eine Kaserne aufsuchen soll, wird daraus noch nicht ersichtlich. Immerhin sei „das Essen beim Bundesheer noch wesentlich besser, als manche Kritiker wahrhaben wollen.“ Der nun wahrscheinlich energisch einrückenden Jugend wird danach ein Zuckerl gereicht: Zwar sei es verboten, „EDV-Anlagen, Waffen und Munition sowie Haustiere“ mitzunehmen, dafür sei es neuerdings nicht mehr nötig, „beim Lenken eines Fahrzeugs im Speisesaal, im Waschraum und auf dem WC militärisch zu grüßen“.
Den spätestens jetzt mit einem lauten „Hahaha“ in Stellung gehenden Austro-Jungmännern wird bedeutet, daß ein späteres Heimkommen nach dem Ausgang zwar möglich sei, aber: „Du brauchst gar nicht erst versuchen, später bei Deinem Kommandanten mit einem Schmäh zu landen.“ Die Armee aber auch nicht bei den Zivildienstleistenden. Falk Madeja
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