Neuer Regierungschef

■ Der populäre Hosokawa soll der Koalition Vertrauensvorschuß sichern

Tokio (taz) – Die Vorsitzenden der sieben japanischen Oppositionsparteien, die in der nächsten Woche die Regierungsübernahme in Tokio anstreben, haben gestern eine formelle Koalitionsvereinbarung vorgelegt und ihren Kandidaten für das Amt des Premierministers benannt. Neuer Regierungschef soll der Vorsitzende der „Neuen Partei Japans“ (NPJ), Morihiro Hosokawa, werden. Die Wahl trifft damit den derzeit mit Abstand populärsten Politiker Japans und sichert der Koalition einen großen Vertrauensvorschuß. Die NPJ hatte bei den Parlamentswahlen vor zwei Wochen die größten Stimmengewinne verzeichnet, war aber erst in dieser Woche dem Koalitionsbündnis beigetreten, nachdem die bislang regierenden Liberaldemokraten die Koalitionsbedingungen Hosokawas nicht erfüllt hatten. Seine Nominierung deutet auf eine Niederlage der Sozialdemokraten innerhalb des Bündnisses, die den Vorsitzenden der „Erneuerungspartei“ (JRP), Tsutomu Hata, als Regierungschef vorgezogen hätten. Doch wollten die übrigen Koalitionspartner durch die Wahl Hosokawas sichergehen, daß seine Partei nicht als erste die neue Regierung wieder verläßt. Die sieben Parteien verfügen im Parlament nur über eine relative Mehrheit. Eine Abspaltung könnte die prekäre Balance im Parlament sofort wieder zur bisherigen Regierungspartei umschwenken lassen.

„Das Wichtigste ist jetzt, die Regierung abzulösen“, sagte Hosokawa nach seiner Nominierung. „Ich hoffe, daß das Ergebnis des ersten Regierungswechsels seit 40 Jahren die Erwartungen der Bürger erfüllen kann.“ Der sozialdemokratische Parteiführer Sadao Yamahana verlas daraufhin einen „politischen Aufruf“ der sieben Parteien: „Geschichte wurde heute gemacht“, ließ er verkünden. Doch neben den bereits bekannten Reformplänen – einem neuen Wahlgesetz und einem Spendenverbot für Parteien – konnte die Koalition gestern keine weiteren Beschlüsse vorlegen.

Erstes Aufgabenfeld der neuen Regierung ist die Wirtschaftspolitik. Im zweiten Quartal sackte die japanische Wirtschaft entgegen allen Voraussagen wieder in die Rezession zurück. Doch ist sich die Koalition noch nicht einig, mit welchen Steuervergünstigungen für den Endverbraucher sie die Konjunktur wiederbeleben will.

Die größte Aufmerksamkeit aber verspricht die gestern verkündete Bereitschaft der Koalition, Japans Kriegsschuld im Zeiten Weltkrieg endlich einzugestehen. Auch hier sind sich die sieben Parteien im Vorgehen nicht einig: Während die Konservativen im Bündnis einen Parlamentsbeschluß zur Kriegsverantwortung für ausreichend halten, fordern die Sozialdemokraten eine Entschädigung der bislang nicht versorgten Kriegsopfer. Dazu zählen vor allem die in Japan lebenden Koreaner oder solche, die im Krieg der japanischen Kolonialmacht dienten.

Im übrigen bekräftigte das Koalitionsbündnis in der Außen- und Sicherheitspolitik die bisherige Regierungslinie. So bekannte man sich zum US-japanischen Militärpakt und versprach, an dem umstrittenen Friedensparagraphen in der japanischen Verfassung nichts zu ändern. Japanische Soldaten werden deshalb wie bisher nur an „friedenerhaltenden“ Einsätzen von UNO-Truppen teilnehmen. Georg Blume