■ Tour d'Europe: Völker und Gläubige
Mehr als dreihundert verschiedene „Ethnien“ tummeln sich, nach Angaben der Unesco, heute bereits in Europa, manche allerdings mehr in Quantitäten, die an einer Hand abzählbar sind – etwa Angehörige bestimmter Wüstenstämme, die im Gefolge der Migrationen an die Strände Italiens oder in die Bergwerke Griechenlands geraten sind. Die Spezifität der „Ethnien“ ist dabei mitunter nur für Ethnologen von verwandten Gruppen abgrenzbar und in einigen Fällen – etwa bei den als eigene Gruppen geführten Sinti und Roma – selbst für Kenner nur schwer zu durchschauen. Sozusagen „reine“ Kulturen werden von nahezu keiner Gruppe mehr gepflegt, weder im religiösen noch im laizistischen Sinne – auch nicht wenn sie als puristisch, fundamentalistisch oder integralistisch eingeschätzt werden (wie etwa der von vielen als fundamentalistisch bezeichnete Papst Johannes Paul II., die von ihm bekämpfte „Theologie der Befreiung“ als Fundamentalismus denunziert). Bei den meisten hat sich eine Mischkultur entwickelt, die viele Elemente auch formal von ihnen bekämpfter Kulturen aufgenommen haben (wiederum wie die katholizistische Volkskultur mit ihrer Heiligenverehrung auch dem alten heidnischen Götterglauben Rechnung trägt). Noch mehr als Ethnien sind die Glaubensgruppen aufgespalten – allein vierzig christliche Gemeinschaften sind eruierbar, dazu jeweils mehrere Dutzend muselmanische (z.B. Sunniten, Charidschiten, Schitten, die wiederum in Zaiiditen, Ismailiten, Imamiten zerfallen, dazu Nusairier, Ahl e Haghgh, Almoraviden, Almohaden, Wahhabiten, Senussi und andere), buddhistische (z.B. Hinajana und Mahajana), hinduistische (etwa Schiwaismus und und Wischnuismus, aber auch Krischnaismus und Hanuman), Konfuzianismus, Taoismus. Das Verhältnis der einzelnen Gruppen untereinander ist recht unterschiedlich. Während sich zum Beispiel schiitische und sunnitische Moslems historisch schwere Kriege lieferten und in ihren jeweiligen Heimatländern auch nicht unbeträchtliche Verfolgungen untereinander stattfinden, vertragen sie sich im Ausland recht gut – ganz analog übrigens zu den Christen, von denen lateinamerikanische und asiatische Völker schon zur Zeit der Eroberungskriege feststellten, wie gut sie sich verstehen, wenn sie nicht zu Hause ihre Glaubenskriege führen müssen. Weltweit stehen dem Katholizismus mit seinen etwa 560 Millionen Anhängern und dem nahezu ebenso großen Protestantismus – der allerdings seinerseits in mehr als 50 mehr oder minder große Glaubensgemeinschaften zerfällt – Religionskulturen mit fast genauso großem Bekennerbereich gegenüber, so etwa der Islam mit schätzungsweise 560 Millionen – und der Hinduismus mit rund 450 Millionen Gläubigen.
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