Wiederentdeckte Helden

■ taz-Serie Neuer Mann Teil III: Zurück zur Spiritualität in Schwitzhütten und Comix

Wiederentdeckte Helden

taz-Serie Neuer Mann Teil III: Zurück zur Spiritualität in Schwitzhütten und Comix

Jetzt suchen Männer wieder ihren eigenen Weg, und der führt immer häufiger durch spirituelle Nebel. Sie übernachten gruppenweise im Wald. Sie lassen sich von Mücken zerstechen, und ihr einziger Trost ist: die Brüder sind nahe. An der Pinwand im Bremer Männerbüro wirbt ein „Verein für entwicklungs- und systemorientiertes Training“ für Männerwandern in Österreich, „ein Weg zur Wieder-Entdeckung der eigenen Spiritualität“. Daneben locken „Schüler bei einem der letzten heiligen Weisen“ zu einem „Seminarzyklus 'Der Krieger'“ nach Salzburg, wo man mit einem Druiden schwerttanzen, in der Schwitzhütte schwitzen und über den „Mythos des Helden“ meditieren soll. Mit der Spiritualität erobern sich Männer Bereiche zurück, die sie kampflos den bewegten Frauen überlassen hatten. Selbst der Berater am Männertelefon bekennt sich zu einem „neuen Bedürfnis nach Spiritualität — ich lese jetzt Bücher, die ich früher als esotherisch eingeordnet hätte.“ Bücher wie Robert Bly's „Eisenhans“.

Als der wilde Mann wieder in dem finstern Wald angelangt war, so setzte er den Knaben von den Schultern herab und sprach zu ihm: 'Vater und Mutter siehst du nicht wieder, aber ich will dich bei mir behalten.' So erzählen die

Der Neue Mann: mit größtem Ernst auf der Suche nach neuer SpiritualitätFoto: Jörg Oberheide

Gebrüder Grimm vom „Eisenhans“ in einer klassischen Initiationsgeschichte voller Proben, Gebote und Potenzdemonstrationen trotz Wind und Wetter. Robert Bly hat auf diesem Märchen seinen Männerrenner „Eisenhans“ aufgebaut, darin es um die überlieferten Männermythen geht.

Der Bremer Soziologe Michael Meuser kümmert sich intensiv um solche sogenannte „Männer-Verständigungsliteratur“: Er ist an „kulturellen Leitbildern der Männlichkeit“ interessiert. Die Bremer Uni, der Ort des „Männerwunders“, ist eine der wenigen Hochschulen, die sich der Männerforschung widmen und Lehrveranstaltungen zum Thema anbieten. Soeben hat Institutschef Rüdiger Lautermann die Förderungszusage der DFG für das Projekt „Maskulinität“ erhalten.

Meuser durchforstete im Vorfeld alle greifbare angloamerikanische und deutschsprachige Bewegungs-Literatur und fand die Bücher, die die Männer mit in den Wald nehmen, etwa Jack Nickel's „Man's Lib“, Sam Keen's „Feuer im Bauch — Über das Mann-Sein“ bis hin zum RTL- heißen-Stuhl-erprobten Joachim Bürger („Mann, bist du gut“) oder Felix Sturms „Und wer befreit die Männer?“ Michael Meuser fand besonders in den Vereinigten Staaten, wo sich Männer- Wochenendcamps schon länger heftiger Beliebtheit erfreuen, zwei Männerrichtungen: Die einen wollen toben, „sich ausagieren“, ihre spezifisch männliche Kraft wiederentdecken. Die an

hier bitte der

verschleierte Mann

deren suchen nach neuen „spirituellen Mustern“. Beide Interessen begegnen sich aufs innigste bei den wilden rituellen Tänzen ums Lagerfeuer im Wald.

Der Wilde im Wald, von Mückenstichen und rituellen Wunden bedeckt, im Alltag mit wissendem Glimmen im Auge, sanft und doch triebstark, der an behaarter Männerbrust weinen und doch hart in der Sache sein kann — ist das der Neue Mann? Wird Mann in Zukunft mit mehreren Paradigmen zugleich leben müssen, hier die Sau rauslassen, da den Softie? In der Kirche scheint er immerhin schon angekommen

zu sein, der Neue Mann, wenn Seminaristen der Evangelischen Fachhochschule für Sozialarbeit neulich in Dresden unter dem Titel tagten „Gott im Himmel und seine/ihre Söhne auf Erden — Theologie aus männlicher Perspektive“ (Fragestellung: „Wieweit haben feministische Theologie und Kirche zur Unterdrückung von Männern beigetragen?“).

Daß „Theologie aus männlicher Sicht“ nun ganz so fürchterlich neu auch nicht ist, fällt womöglich nur noch ein paar Alten Männern auf.

Burkhard Straßmann