piwik no script img

■ Press-SchlagDer Dauerrenner

Was wäre die Leichtathletik ohne Carl Lewis. Seit er vor zwölf Jahren die 100 Meter zum erstenmal in glatten zehn Sekunden spurtete, kamen und gingen die Konkurrenten wie eilige Gäste, die kurze Zeit am Festmahl partizipieren und sich dann still und heimlich wieder davonmachen. Nur der Gastgeber blieb. Mit der Unerschütterlichkeit eines Fixsternes leuchtet er am Leichtathletik-Firmament, allzeit bereit, für Unmengen von Dollars eines seiner zahlreichen „Duelle des Jahrhunderts“ zu bestreiten.

Zuerst war Calvin Smith der große Gegenspieler, dann Ben Johnson, dann Leroy Burrell und nun ist es einer, der sogar noch ein Jahr älter ist als der 32jährige Lewis: Linford Christie, der in der Vergangenheit stets ein bescheidenes Dasein im Schatten der schnellen Amerikaner fristete und erst mit seinem Olympiasieg von Barcelona ins grelle Rampenlicht trat. Da hatte sich aber Carl Lewis bei den US-Ausscheidungen nicht qualifiziert und so lag ein Makel auf dem größten Sieg des Briten. „Es tut weh, auf der Tribüne zu sitzen, wenn du weißt, daß du schneller bist“, stichelte Lewis süffisant und mit einer gewissen Berechtigung. Schließlich hatte Christie in zwölf von dreizehn Rennen nur die Hacken des Glamour-Boys aus Alabama gesehen, unter anderem bei der Weltmeisterschaft 1991 in Tokio und 1988 im anrüchigen olympischen Finale von Seoul.

Eine ideale Konstellation für ein neuerliches lukratives Jahrhundert-Duell, das teuerste Rennen aller Zeiten, das am Freitag vor 11.500 Zuschauern im englischen Gateshead über die Tartanbahn ging. 250.000 Mark gab es für jeden, was überall flugs in Sekunden und Meter umgerechnet wurde. Das war offensichtlich sogar Lewis peinlich und so bemühte er sich, den Sekundenlohn ein wenig zu drücken. Bei seinen großen Show-Rennen hatte er fast immer schlecht ausgesehen, und Gateshead machte keine Ausnahme. Auf der langsamen Bahn lief er bei kaltem Wetter 10,22 Sekunden, womit er immerhin vier Hundertstel unter dem alten Stadionrekord blieb. Das reichte aber nicht gegen Christie (10,08) und auch nicht gegen den Zweiten Jon Drummond (10,12).

Christie freute sich über den Triumph fast euphorischer als über sein Olympia- Gold, Lewis war sauer und machte die Taktik (?) seines Coaches Tom Tellez dafür verantwortlich, daß er eines der schlechtesten Rennen seiner Karriere absolviert hatte. „Auf dramatische Weise“ habe er sein Selbstvertrauen wiedergefunden, hatte er vorher verkündet; daß es ihm nun wieder abhanden gekommen ist, braucht man bei Carl Lewis allerdings kaum befürchten. In zwei Wochen ist Weltmeisterschaft, und bei aller Geschäftstüchtigkeit pflegt Lewis die Beine seit jeher hurtiger zu schwingen, wenn es um Gold geht statt um schnöden Sekundenlohn. Matti

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen