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Gute Worte und kein Geld

■ Viel Freundliches, aber bislang keinerlei Zusagen: Das Romani P.E.N.-Zentrum sucht seinen Sitz in Deutschland

„Verständnis gibt es dort, wo es gibt Verstand“, sagt der Generalsekretär des Romani P.E.N.-Zentrums in Deutschland, Rajko Djurić, mit etwas Ironie. Doch sosehr die Roma und Sinti in Deutschland und anderswo Verständnis brauchen, damit ist es nicht getan. Sie brauchen praktische – und das heißt auch finanzielle – Hilfe. Aus den Büros des brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe, des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Eberhard Diepgen, sowie des Kultursenators Ulrich Roloff-Momin, kamen bisher freundliche Worte, aber keinerlei Zusagen.

Der Belgrader Journalist und Poet Rajko Djurić hat das Romani P.E.N.-Zentrum 1989 in der jugoslawischen Hauptstadt gegründet. Das war damals keine besonders feierliche Sache. Djurić hatte sich mit einigen Roma-Schriftstellerkollegen beraten, man sammelte etwas Geld und arbeitete Programm und Satzung aus. Der Internationale P.E.N.-Kongreß in Madeira akzeptierte noch in demselben Jahr das Aufnahmegesuch. Seitdem ist das Romani P.E.N.- Zentrum ordentlich assoziiertes Mitglied der Internationalen Schriftsteller-Vereinigung. Eine ganz normale Vereinsgeschichte also.

Normal? Nicht ganz: Vor zwei Jahren, 1991, bekam Rajko Djurić – ebenso wie sein Sohn – den Einberufungsbefehl zur serbischen Armee. Beide weigerten sich, dem staatlichen Mordauftrag zu gehorchen. Seitdem sind sie, wie das so seltsam heißt – „fahnenflüchtig“. Der Sohn lebt jetzt in Wien, Rajko Djurić in Berlin. Sein Romani P.E.N.-Zentrum, dessen Generalsekretär er ist, führt nunmehr den Zusatz „in Deutschland“, und das Ziel ist es, den weltweiten Roma- Schriftsteller-Verband auf Dauer in Deutschland anzusiedeln.

Dazu sind noch einige Formalien notwendig, wie die juristische Eintragung ins Vereinsregister sowie eine vernünftige Niederlassung. Bisher stehen Telefon und Schreibtisch des Romani P.E.N.- Zentrums in der Privatwohnung des Präsidenten Andreas Bengsch, eines Berliner Autoren und Journalisten, der übrigens weder Sinto noch Rom ist. Die Roma-Schriftsteller haben ihn an die Spitze ihres P.E.N.-Zentrums gewählt, um jemanden zu haben, der im Behörden-Dschungel besser durchblickt.

Das Zentrum befindet sich also noch in einem Versuchsstadium. Das entspricht durchaus den Verhältnissen, denn die Literatur der Sinti und Roma steckt noch in den Babyschuhen. Die Lieder, Geschichten und Erzählungen der Roma wurden jahrhundertelang ausschließlich mündlich überliefert. Eine Schriftsprache existierte nicht.

Erstmals im Sowjet-Rußland der zwanziger Jahre begannen romanisprachige Journalisten und Autoren mit staatlicher Unterstützung ihre Muttersprache zu kultivieren. Der Allrussische Roma- Bund wurde gegründet sowie eine eigene Zeitung, Nevo drom, Neuer Weg. Schließlich gab es für einige Jahre sogar eine regelmäßige Radiosendung.

Seit den sechziger Jahren versuchen Roma in Amerika, in Asien und in den Ländern Europas, eine verbindliche Romani-Schriftsprache zu entwickeln.

Manche Autoren schreiben zunächst in der Sprache des Landes, in dem sie aufgewachsen sind, wie beispielsweise Djurić, der die meisten seiner Bücher auf serbokroatisch verfaßt hat. Andere wiederum schreiben ihre Gedichte und Erzählungen gleich auf romanes. Doch bevor der Eindruck entsteht, daß die Literatur der Roma unüberschaubar sei: das Gegenteil trifft zu, sagt der deutsche Präsident des Romani P.E.N.-Zentrums, Andreas Bengsch: „Man darf nicht vergessen, daß in vielen Ländern nur ein Autor lebt. Zum Beispiel gibt es zur Zeit – nach dem Tod von Bronislawa Waiß – in Polen keinen Roma-Autoren mehr. In der Slowakei und Tschechien gibt es fast ein Dutzend.“

Weltweit gehören zwischen dreißig und vierzig Schriftsteller dem Volk der Roma an. Die meisten schreiben zumindest teilweise auf romanes. Fünfundzwanzig von ihnen sind mittlerweile Mitglied des Romani P.E.N.-Zentrums in Deutschland. Eine komplette Romani-Bibliothek würde bisher wahrscheinlich weniger als einhundert Bände umfassen. Aber hier ist man auf Schätzungen angewiesen. Eine Aufgabe des P.E.N.-Zentrums heißt daher auch „Spurensuche“: Man muß herausfinden, in welchen Ländern unbekannte Roma-Autoren arbeiten, Kontakt aufnehmen, sammeln: Literatur von und über diejenigen, die in manchen Sprachen – übrigens auch in der eigenen – Zigeuner heißen, ohne jeden abfälligen Beigeschmack.

In der Satzung ganz oben steht das Ziel, die verbreiteten Vorurteile gegen Roma abbauen zu helfen. Das P.E.N.-Zentrum will aufklären. Aber nicht nur in eigener Sache! Gegenwärtig sei wieder eine ultrakonservative Idee modern, warnt Rajko Djurić, wonach der Staat alles sei, der einzelne Mensch hingegen nichts. Dem wolle er entgegenwirken. Keine Frage für ihn, daß die serbischen Politiker, allen voran Präsident Milošević, Kriegsverbrecher sind. Denen den Prozeß zu machen sieht Djurić auch als Aufgabe des P.E.N.-Zentrums, wenngleich er einschränkt, daß formal hierfür natürlich andere Instanzen zuständig sind. „Aber wenn es um Moral, um Ethik, um Gewissen geht, sollen Schriftsteller die Kultur, die Menschlichkeit, verteidigen.“ Michael Schornstheimer

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