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Noble Bayern-Botschaft in Brüssel

Trotz Sparmaßnahmen wollte Bayern eine teuer erworbene Villa in Brüssel abreißen und durch einen Neubau ersetzen lassen / Nach Protesten in Belgien Projekt vorerst storniert  ■ Von Bernd Siegler

„Die fetten Jahre sind vorbei“, hatte Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber in seiner ersten Regierungserklärung gesagt. Manche seiner Minister denken da anscheinend völlig anders. Thomas Goppel zum Beispiel. Der Sohn des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel hat es inzwischen zum Europaminister gebracht. Als solcher will er auch etwas hermachen in der belgischen Hauptstadt Brüssel. Für drei Millionen Mark kaufte der Freistaat dort zwei alte Villen. Eine davon soll jetzt nach Goppels Plänen abgerissen und einem noblen Neubau für noch einmal drei Millionen weichen. Nach energischen Protesten in Brüssel und im Freistaat hat Stoiber die delikate Angelegenheit jetzt zur „Chefsache“ erklärt und den Abriß vorerst auf Eis gelegt.

Angefangen hatte alles 1989. Der frühere Finanzminister Gerold Tandler hatte den Kauf der beiden Villen am Brüsseler Boulevard Clovis getätigt. Ein „Haus der Regionen, das der Begegnung zwischen Europäern dienen soll“, sollte dort entstehen. In Berufung auf ein Gutachten der Staatsbauverwaltung teilte Tandler dem Haushaltsausschuß des Landtags mit, die Bausubstanz der beiden Gebäude sei gut. Lediglich die Nummer 20 bedürfe im Innenraum einer gewissen Sanierung. Die Kosten hierfür wurden auf 1,1 Millionen Mark geschätzt.

Diese Aussagen sind längst Makulatur. Über Jahre hinweg hatte sich, so der Vorwurf der grünen Haushaltsexpertin Emma Kellner, „das Europaministerium offenkundig ohne Kenntnis des Haushaltsausschusses um eine Abrißgenehmigung in Brüssel bemüht“ – und auch bekommen. Zwar gegen die Stimmen des Brüsseler Gemeinderats und der örtlichen Denkmalschützer, aber dafür vom Ministerpräsidenten der Region Brüssel, Charles Picque, höchstpersönlich. Keine Rede war mehr von der einst so guten Bausubstanz. Europaminister Goppel argumentierte, die Nummer 20 sei „völlig hinfällig“, es stinke dort „bestialisch“. Sein Ministerialdirigent Christoph Deckart, ließ an den Abbruchplänen keinerlei Zweifel: „Das geht jetzt halt seinen Lauf.“

Inzwischen hat der geplante Abriß eine Welle des Protestes in der belgischen Hauptstadt ausgelöst. Elf Bürgerinitiativen sowie verschiedene Vereine wollen das Haus aus der Jahrhundertwende erhalten. Sie vermuten, daß Bayern noch schnell die Abrißbirne in Aktion treten lassen will, bevor im November dieses Jahres eine neue Vorschrift in Kraft tritt, wonach alle vor 1932 gebauten Häuser auf eine provisorische Schutzliste gesetzt werden. Außerdem werfen sie den Repräsentanten des Freistaats vor, die Immobilienpreise in dem Stadtviertel nach oben getrieben zu haben.

Kurz vor dem Kauf des Freistaats waren die beiden unrenovierten Villen für 1,7 Millionen in Brüssel angeboten worden. Vergleichbare Häuser kosten derzeit im gleichen Stadtviertel weit unter einer Million. Für zwei bereits vollständig renovierte Häuser der gleichen Größe im gleichen Quartier hatte das Land Nordrhein-Westfalen kurz vor dem bayerischen Vertragsabschluß ganze 2,3 Millionen gezahlt.

„Der Vorgang um die Brüsseler Häuser des Freistaats ist ein klassischer Fall für den Bayerischen Obersten Rechnungshof“, fordert Emma Kellner. Sie spricht von einer „Verschwendung von Steuermitteln“. Das konnte Ministerpräsident Stoiber nicht auf sich sitzen lassen. Er, der angetreten war, nach der leidigen „Amigo-Affäre“ um seinen Vorgänger Max Streibl eine „neue Ehrlichkeit“ in die bayerische Politik einziehen zu lassen, sprach ein Machtwort und stornierte die Abrißpläne. „Das Ansehen Bayerns in Europa hängt auch davon ab, wie wir in Brüssel unser Informationsbüro einrichten“, heißt es zur Begründung aus der Staatskanzlei.

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